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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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Freundin von den Geschehnissen. »Artjom hat mich aufs Sofa geworfen und sich schützend vor mich gestellt.«
    »Wie heldenhaft!«, stichelte Galja.
    »Jawohl, heldenhaft!«, gab Olga leicht gekränkt zurück. »Und weil er vor mir stand, habe ich nichts gesehen. «
    »Hast du nicht wenigstens einen kurzen Blick erhascht? «, bohrte Galja weiter.
    »Na ja, vielleicht ganz kurz …«, erwiderte Olga. »Wenn ich ehrlich bin, dann hatte ich nicht den Eindruck, dass das ein Mensch war.«
    »Sondern?«
    Olga fummelte verlegen an ihrer Perlenkette herum. »Mir kam es nicht so vor, dass er eine Maske aufhatte, wie Artjom behauptet hat, sondern dass er tatsächlich so aussah – wie ein Ungeheuer.«
    »Aha. Graf Dracula.«
    »Ich wusste, dass du so reagieren würdest«, versetzte Olga verärgert und wandte sich ab.
    »Jetzt sei nicht gleich beleidigt«, beschwichtigte Galja und streichelte ihr über den Arm. »Ich wollte dich doch nur ein bisschen ärgern. Wenn mir das passiert wäre, was dir passiert ist, wäre ich wahrscheinlich im Irrenhaus gelandet.« Sie strich sich die langen schwarzen Haare aus dem Gesicht. »Aber was die Ungeheuer betrifft, die kannst du dir getrost aus dem Kopf schlagen – es gibt sie nicht. Und die Polizei würde sich mit solchen Märchengeschichten auch gar nicht abgeben.«
    »Warum hat Artjom dann wie ein Wilder geschossen? «
    »Er ist wahrscheinlich genauso erschrocken wie du. Für dich muss das ein fürchterlicher Schock gewesen sein – dafür hältst du dich wirklich gut.«
    »Dank Artjom«, seufzte Olga. »Er hat mir das Leben gerettet.«
    Bei der Erwähnung des jungen Helden rümpfte Galja die Nase. »Ich mag keine Polizisten.«
    »Du warst ekelhaft zu ihm, das hätte es nicht gebraucht. «
    »Mag sein.«
    »Dabei ist er wirklich ein feiner Kerl.« Olga lächelte verklärt. »Und so süß …«
    »Du wirst dich doch nicht in ihn verliebt haben?«
    »Und wenn?«
    »Na, du machst mir Spaß!« Galja sah ihre Freundin erstaunt an. »Und Bogdan?«
    »Keine Ahnung …«
    »Sag mal …« Galja ging endlich ein Licht auf. »War Artjom die ganze Nacht bei dir?«
    »Ja, er hatte mich aus dem Park nach Hause gebracht.«
    »Und ihr habt …«
    Olga grinste errötend und nickte.
    »Krass!« Galja schüttelte den Kopf, doch kurz darauf lächelte sie: »Dann brauche ich mich ja nicht darüber zu wundern, dass es dir nicht gefallen hat, wie ich mit ihm umgesprungen bin.«
    »Ach was, darum geht’s doch gar nicht.« Olga stand auf, schaute auf die Uhr – Artjom war schon seit fast drei Stunden weg – und ging zum Herd. »Trinken wir noch einen Kaffee?«
     
     
    Buchhandlung von Genbek Hamzi
Moskau, Alter Arbat
Samstag, 16. September, 13:47 Uhr
     
     
    Die Würfel waren gefallen, und Larissa konnte nicht mehr zurück. Obwohl ihr jeder Schritt schwerer fiel, näherte sie sich mit unerschütterlicher Entschlossenheit ihrem Ziel.
    Die kleine Buchhandlung am Alten Arbat hatte es Larissa schon seit längerem angetan. Nirgendwo in Moskau gab es eine größere Auswahl an Büchern über Magie und Zauberei: Zauberer und Hexen von Brendan Lehane, Das dritte Auge von Lobsang Rampa, Das Buch der Geister von Allan Kardec, Aleister Crowley und Carlos Castaneda, der Hexenhammer und unvermeidlicherweise auch jede Menge zeitgenössischer Schund – leicht verdauliche Kost für Gelegenheitsesoteriker.
    Das eigentlich Bemerkenswerte am Sortiment der Buchhandlung waren jedoch jene alten, authentischen Werke, die sich ernsthaft mit dem Stoff befassten und auf eine Aufbereitung für den Massengeschmack verzichteten. Bücher, die in einer Zeit entstanden, als die Zauberei nach Larissas fester Überzeugung noch kein modischer Zeitvertreib war, sondern eine Selbstverständlichkeit wie heutzutage Internet und Telefon.
    Eines Tages, als keine anderen Kunden im Laden waren, hatte der Inhaber Larissa das Lager gezeigt – umfangreiche Räumlichkeiten, die vor Büchern förmlich überquollen. Es mochten Hunderte oder gar Tausende alter Bände sein, deren Schnittverzierungen silbern und golden in den Regalen glänzten. Voller Stolz hatte sie der alte Buchhändler durch seine Schatzkammern geführt und ihr begeistert von seiner Sammlung vorgeschwärmt. Bei dem kurzen Rundgang war Larissa überdies aufgefallen, dass sie von den Autoren all dieser ehrwürdigen Werke noch nie etwas gehört hatte – nicht ein einziger Name kam ihr auch nur im Entferntesten bekannt vor. Doch intuitiv hatte sie sofort gespürt, dass sich zwischen

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