Das Opfer
Hofs benahmen sich niemals so steif und kühl. Seltsam, dass sich eine so hochrangige Magierin mit der Tötung eines Wandelwesens befasste.
»Ich bin Krasawa, Fate des Herrscherhauses Lud.« Ihre riesigen, leuchtend grünen Augen fixierten Artjom kühl. »Und das ist der Woiwode Bronislaw.« Mit einer Kopfbewegung wies sie auf einen Mann, der im Rücken Artjoms in der anderen Ecke des Raumes stand.
Im Grünen Hof verfügten nur die Frauen über magische Fähigkeiten, deshalb war klar, dass bei der bevorstehenden Befragung die Fate das Sagen hatte.
»Ich bin Artjom Golowin.«
»Das wissen wir«, bestätigte Krasawa. »Also, Golowin, Sie werden uns in allen Einzelheiten berichten, wie es gestern Nacht im Lustgarten zur Ermordung der Schwarzen Morjane Nimata kam.«
»Es war Notwehr«, sagte Artjom achselzuckend. »Laut Kodex der Verborgenen Stadt habe ich das Recht, mein Leben und meine Gesundheit mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Der Angriff ging klar von der Morjane aus.«
»Wenn dem tatsächlich so ist, wird der Grüne Hof Sie auch nicht belangen«, bestätigte die Fate milde. »Uns ist bekannt, dass Schwarze Morjanen in Kampfmontur zu inadäquatem Verhalten neigen.«
»Kann jemand bezeugen, dass es sich tatsächlich um Notwehr gehandelt hat?« Die Stimme des Woiwoden Bronislaw klang heiser und schrill, doch Artjom drehte sich nicht einmal nach ihm um.
»Die Morjane hat im Park eine junge Humo-Frau verfolgt, der ich zu Hilfe geeilt bin. Die von mir Gerettete weiß nichts von der Verborgenen Stadt, es ist also nicht möglich, sie offen als Zeugin zu hören. Sie müssten sich als Polizisten ausgeben.«
»Das ist das geringste Problem«, entgegnete Krasawa. »Wären Sie damit einverstanden, sich einer Prüfung durch den Kuss der Rusalka zu unterziehen, um den Wahrheitsgehalt Ihrer Aussage zu bestätigen?«
»Ja, aber nur auf neutralem Boden und in Anwesenheit meiner Freunde.«
»Das ist vernünftig.«
Den Kuss der Rusalka beherrschten ausschließlich Magierinnen des Grünen Hofs. Mit diesem ausgesprochen sinnlichen Zauber versetzten sie ihr »Opfer« in eine emotionale Abhängigkeit und hatten dann leichtes Spiel, alles aus ihm herauszubekommen, was sie interessierte. Vor einiger Zeit hatte Artjom bereits Gelegenheit gehabt, vom süßen Gift dieses Arkans zu kosten, und konnte sich noch gut daran erinnern, wie er damals bereitwillig ein Geheimnis nach dem anderen ausgeplaudert hatte.
»Ihr Einverständnis mit dem Kuss der Rusalka spricht eigentlich für sich selbst«, urteilte Krasawa.
»Was hattest du überhaupt im Lustgarten verloren, Humo?«, mischte sich abermals der Woiwode ein.
Artjom hob verwundert die Brauen: »Was tut das zur Sache?«
»Ein Angehöriger des Herrscherhauses Lud wurde ermordet!«, bellte Bronislaw entrüstet. »Wir wollen alle Einzelheiten über die Tat wissen! So leicht kommst du nicht davon, Humo!«
Artjom spürte, wie der Woiwode an ihn herantrat und seine mächtige Gestalt sich unmittelbar hinter ihm aufbaute. Indessen lehnte sich die Fate in ihrem Stuhl zurück und beobachtete schweigend das Geschehen. Artjom wusste sofort, dass dieser Auftritt von vorneherein so geplant war.
»Du weigerst dich also zu antworten?«
Der heiße Atem des Woiwoden strich durch Artjoms Nackenhaare, doch noch berührte er ihn nicht. Der Söldner gähnte demonstrativ, rieb sich das unrasierte Kinn und wandte sich an Krasawa.
»Wenn Sie dann keine Fragen mehr haben, gehe ich.«
»Du wirst schön hierbleiben!«, donnerte Bronislaw, und eine weitere Böe umwehte Artjoms Nacken. »Wir wissen, dass du gestern zusammen mit Christophan die Rennsemmel verlassen hast. Hat er dich in den Park gebracht? «
Offenbar war den Luden von irgendjemandem gesteckt worden, dass die Söldner den Panopten betrunken gemacht hatten, um ihn zum Öffnen eines Schatzes zu bewegen. Nur – warum interessierte sie das überhaupt? Suchten sie womöglich selbst nach dem Armreif der Fate Mara? Es sah ganz danach aus. Und nun versuchten sie, herauszufinden, ob zwischen der Öffnung des Schatzes und dem Angriff der Morjane ein Zusammenhang bestand. Sie hatten jedoch keinerlei Beweise in der Hand, deshalb durfte er sich auf keinen Fall provozieren lassen. Womöglich versuchte der Woiwode bewusst, eine Schlägerei anzuzetteln, um ihn halbtot zu schlagen und dann in Ruhe sein Gedächtnis zu durchforsten, solange er bewusstlos war.
»Was grübelst du, Humo?«, raunzte Bronislaw drohend. »Dir ist doch
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