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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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unbedingt, und für Sie ist es eine gute Gelegenheit, Ihrem Freund zu helfen.«
    Franz wurde klar, dass Bogdan in dieser Schachpartie keine entscheidende Figur, sondern nur ein unbedeutender Bauer war. Oder eine ungedeckte Figur, die der Gegenspieler problemlos aus dem Weg räumen könnte. Und doch verzichtete er nun auf diese leichte Beute. Doch nicht aus Barmherzigkeit? Was steckte dahinter?
    Der Kriegsmeister wusste, dass Santiago trotz seines verheerenden Rufs und seiner Stellung als Militärführer des Herrscherhauses Naw das Mittel der Gewalt sehr dosiert einsetzte und auch nur dann, wenn er es für unvermeidlich hielt. Die Tötung der drei Usurpatoren passte augenscheinlich nicht ins Konzept des Kommissars. Vermutlich befürchtete er, den Bogen zu überspannen, und war nun bestrebt, weiteres Blutvergießen unter den Rittern zu vermeiden und seine Ziele auf andere Art und Weise zu erreichen.
    Nachdenklich betrachtete Franz den bedrohlich funkelnden Rubin an seinem Finger. Auf dieser Welt gab es nichts umsonst. Bogdans Überleben kostete die Herausgabe seiner Quelle über das verbotene Arkan, und die Erfüllung des sehnlichsten Wunsches kostete eine langjährige Freundschaft. Der Kapitän wusste, dass Bogdan nach der Vollendung des Arkans nicht mehr sein Freund sein konnte.
    »Das Traumarkan bedeutet nicht nur Opfer, sondern es verändert die Welt«, sagte Santiago so leise, dass Franz seine Worte kaum vernahm. »Es verstrickt nicht nur den Magier, sondern alles und jeden in seiner Umgebung. Früher habe ich geglaubt, dass die Erfüllung der Wünsche nur Blut kostet, doch das war ein Irrtum. Das Arkan erschüttert die Welt in ihren Grundfesten, und das kostet einen viel höheren Preis, den alle bezahlen müssen. Dieser Preis ist manchmal ungerecht und nicht nachvollziehbar, doch er ist immer hoch. Manchmal ist es besser, wenn der Wirker des Arkans stirbt, denn die Welt verändert sich und dann verlieren seine Wünsche möglicherweise ihren Sinn, der Preis dafür muss aber trotzdem bezahlt werden.«
    Franz hörte äußerst aufmerksam zu und hielt dabei den Atem an. In der Geschichte der Verborgenen Stadt gab es nur einen Magier, der schon einmal ein Traumarkan gewirkt hatte, und dieser Magier wusste, wovon er sprach.
     
     
    Städtisches Mietshaus
Moskau, Miklucho-Maklaja-Straße
Samstag, 16. September, 15:32 Uhr
     
     
    Der Geruch der Orangen war so intensiv, als hätte er sich für alle Zeiten in der Küche festgesetzt. Die Südfrüchte waren das einzige Obst, das die jungen Frauen in Artjoms Vorräten gefunden hatten. Nun lagen überall angetrocknete Schalen herum – auf dem Tisch, auf schmutzigen Tellern, im Mülleimer. Der aufdringliche Zitrusduft pappte nicht nur an den Fingern und auf der Tischplatte, sondern hing sogar in den Regalen und Vorhängen.
    »Morgen bekomme ich bestimmt einen Ausschlag«, seufzte Olga, während sie versonnen ein letztes Orangenstückchen über den Tisch rollte. »Dann wird mein ganzes Gesicht rot – das sieht bestimmt schrecklich aus.«
    »So schrecklich, dass dein Prinz dich nicht mehr haben will und in seinem schicken Jeep für immer davonfährt«, ergänzte Galja boshaft.
    Seit einer Stunde war den beiden jungen Frauen entsetzlich langweilig. Zum Fernsehen hatten sie keine Lust, Artjoms Computer konnten sie nicht benutzen, weil sie das Passwort nicht wussten, mit dem Lackieren der Nägel waren sie längst fertig und über die jüngsten Ereignisse hatten sie sich bereits erschöpfend ausgetauscht. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten. Und sich zu langweilen.
    Olga warf das Orangenstückchen in den Mülleimer und blickte zur Uhr. »Artjom könnte allmählich zurückkommen. «
    »Der hat jetzt was Besseres vor«, gähnte Galja. »Er jagt Ganoven. Wenn er nach Hause kommt, ist er bestimmt hungrig, genervt und müde, schlingt seinen Borschtsch mit Sahne hinunter und schläft mitsamt den Klamotten vor der Glotze ein.«
    »Du bist doch nur neidisch, weil er so attraktiv ist«, entgegnete Olga beleidigt.
    »Quatsch! Ich verstehe dich nicht, du hättest doch eine viel bessere Partie in petto als diesen Hungerleider von einem Polizisten.«
    »Ich weiß nicht recht.« Nun spielte Olga mit einem Stück Orangenschale herum. »Bei Artjom fühle ich mich irgendwie gut aufgehoben und beschützt.«
    »Hast du denn immer noch Angst?«, fragte Galja, besann sich jedoch und fügte sofort hinzu: »Natürlich hast du noch Angst, entschuldige.«
    »Das ist gar nicht das

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