Das Opfer
sprang Jana Artjom bei. »Außerdem wäre es nicht anständig, Olga einfach im Stich zu lassen.«
»Und was, wenn sich herausstellt, dass ihr tatsächlich Unheil droht?«, erwiderte der Söldner.
»Dann muss sich Olga eben entscheiden, was ihr wichtiger ist«, parierte Jana gelassen. »Ihr Geld oder ihr Leben. Was sagst du dazu, Artjom?«
»Das sehe ich genauso.«
»Also meinetwegen«, gab sich Cortes geschlagen. »Wir checken mal ab, in was die gute Frau da hineingeraten ist. Ich übernehme diesen Bogdan und werde versuchen, ihn in der Verborgenen Stadt ausfindig zu machen. Was wissen wir über ihn?«
»Wir haben nur Olgas Beschreibung.«
»Das ist nicht eben viel. Bleibt nur zu hoffen, dass er sich nicht mit einem Trugbild getarnt hat.« Cortes schälte sich aus der Sitzecke heraus, streckte sich und begann in der Küche auf- und abzugehen. »Artjom, du bleibst bei Olga und lässt sie nicht aus den Augen.«
»Okay.«
»Jana, du informierst dich über die Schwarzen Morjanen. « Einmal in Fahrt gekommen, ließ Cortes kein Detail außer Acht. »Artjom behauptet steif und fest, dass sich das Wandelwesen nicht normal verhalten hat. Dieser Spur müssen wir nachgehen.«
»In Ordnung.« Die junge Söldnerin räumte ihr Kosmetiketui in die Handtasche zurück. »Ich werde Genbek überreden, mir alle seine Bücher über Morjanen zu zeigen. «
»Für dich wird er sie bestimmt herausrücken«, frotzelte Cortes grinsend. »Wir treffen uns um zwölf Uhr in der Eidechse , dort tauschen wir beim Mittagessen unsere Informationen aus. – Guten Morgen, Olga.«
Artjom und Jana wandten sich um. In der Küchentür stand die junge Frau, die offenbar gerade aufgewacht war. Ihr Haar befand sich in morgendlich-anarchischer Unordnung, und über ihren Augen lag noch der trübe Schleier der Nacht.
»Morgen«, hauchte sie dösig.
»Gut geschlafen?«, erkundigte sich Artjom.
»Ja.«
»Darf ich vorstellen? Das sind meine Freunde Jana und Cortes. Sie werden uns helfen.«
»Freut mich.«
»Möchtest du Kaffee?«, fragte Jana.
»Ja, gern. Ihr müsst entschuldigen, ich sehe sicher schrecklich aus.«
»Unsinn. Zurechtmachen kannst du dich später. Setz dich erst einmal zu uns.« Cortes lächelte ihr zu und deutete mit einer Geste auf die Eckbank. »Hat dir Artjom von uns erzählt?«
»Nein.«
»Dann werde ich das tun.« Cortes setzte sich Olga gegenüber auf einen Hocker, wartete, bis Jana den Kaffee auf den Tisch stellte, und setzte dann fort: »Wir sind Mitarbeiter der Sonderermittlungsgruppe des städtischen Polizeipräsidiums.« Der Söldner legte würdevoll eine Polizeimarke auf den Tisch. »Wir werden mit den brisantesten Fällen beauftragt.«
»Ihr arbeitet mit Kornilow?«
Dank der eifrigen Berichterstattung der Journalisten war der Leiter der Sonderermittlungsgruppe in Moskau bekannt wie ein bunter Hund.
»Ja. Er ist unser Chef.« Cortes steckte die Polizeimarke wieder in die Tasche und schnitt ein todernstes Gesicht. »Im Augenblick befassen wir uns mit einer sehr gefährlichen religiösen Sekte, der schon etliche Leute ins Netz gegangen sind, darunter hochrangige Beamte und deren Kinder. Du kannst dir sicher vorstellen, dass unsere Ermittlungen streng geheim bleiben müssen.«
»Ich werde niemandem etwas davon erzählen.«
»Sehr gut.« Cortes’ Züge entspannten sich. »Der Irre, der dich überfallen hat, war ein Angehöriger dieser Sekte.«
»Das soll ein Mensch gewesen sein?«, wunderte sich Olga. Die Erinnerung an den nächtlichen Albtraum ließ sie aufs Neue erschaudern. »Ich hatte eher den Eindruck, dass es ein Ungeheuer war.«
»Diese Leute bemalen ihre Körper und maskieren sich, bevor sie ihre Ritualmorde begehen«, erläuterte Cortes. »In der Regel lauern sie ihren Opfern in Parks auf, dann verfolgen …«
»Ich habe mich nicht nur im Park verfolgt gefühlt«, unterbrach ihn Olga. »Mag sein, dass ihr das für Einbildung haltet, aber …«
»Artjom hat es erwähnt«, nickte Cortes. »Das ist in der Tat sehr merkwürdig, doch wir werden kein Risiko eingehen. Du stehst so lange unter Polizeischutz, bis die Sache geklärt ist. Okay?«
»Okay.« Olga sah Cortes in einer Mischung aus Hoffen und Bangen an. »Ihr könnt mir wirklich helfen?«
»Aber sicher.«
Olga wandte den Blick zu Jana und Artjom, dann wieder zurück zu Cortes und seufzte: »Ich verlasse mich darauf. Kann ich dann jetzt ins Bad gehen?«
»Selbstverständlich. Und, Olga …« Cortes lächelte ihr väterlich zu. »Mach dir keine
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