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Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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konnten, und auch sie konnten es angeblich nur bis zu einem Alter von zwölf Jahren. Die Kunst, derartigen Schmuck herzustellen, ist verloren gegangen, und erst in letzter Zeit haben die Römer ihn zu schätzen gelernt. Seitdem sind die alten Stücke heiß begehrt.
    „Bist du eine Anhängerin des Aenesidemus?“, fragte Gitadas.
    „Von dem habe ich noch nie gehört“, entgegnete Sabinilla. „Aber ich glaube an die Vernunft. Ich will Beweise sehen. Wenn du ein Pferd kaufen willst, vertraust du dann blind den Anpreisungen des Verkäufers, der das Tier, das er dir andrehen will, in den höchsten Tönen lobt? Nein. Du siehst dir das Pferd genau an. Du schaust seine Zähne an und prüfst, ob es Blähungen hat. Du untersuchst seine Beine und Hufe nach Hinweisen auf Krankheiten, Verletzungen oder eine schlechte Zucht.“
    „Empirische Beobachtungen bringen nicht alles zu Tage“, warf Julia ein.
    „Wer will schon alles wissen?“, entgegnete Sabinilla.
    „Mich interessieren nur die Dinge, die mich persönlich betreffen.“
    „Ich wollte ja nur sagen, dass es auch so etwas wie Instinkt, Inspiration und göttliche Offenbarung gibt“, verteidigte sich Julia.
    „Alles Dinge, die in einer Gerichtsverhandlung eher von zweifelhaftem Nutzen sind“, warf ich ein. „Dort zählen vor allem Beweise, wenngleich einfallsreiche Schmähreden und Rufmord oft mehr Durchschlagskraft entwickeln.“
    „Nicht zu vergessen, die Prahlerei mit den Narben“, kommentierte Julia trocken. In jenen Tagen wurde von jedem Mann des öffentlichen Lebens erwartet, als Soldat gedient zu haben, und es konnte nie schaden, die Geschworenen an den ehrenhaften Dienst zu erinnern, den man geleistet hatte. Vor allem, da in jüngster Zeit viele Männer Recht sprachen, die noch nie ein Schwert gehalten hatten.
    „Stimmt, das ist auch eine hervorragende Taktik vor Gericht. Seht mal her“, sagte ich, hob meine Tunika und offenbarte die riesige Narbe, die von meiner linken Hüfte bis fast hinab zu meinem Knie verlief. „Die habe ich mir zugezogen, als ich von einem britischen Streitwagen überrollt wurde. Damit habe ich schon etliche Urteile in meinem Sinne beeinflusst. So eine Narbe hat außer mir kein Anwalt in ganz Rom zu bieten, nicht einmal Marcus Antonius, und der ist schon öfter verwundet, mit dem Schwert verletzt und von Speeren durchbohrt worden als alle Helden der Ilias zusammen.“ Die Anwesenden bekundeten beim Anblick meiner spektakulären Narbe ihre Bewunderung; nur Julia verdrehte die Augen und wandte sich ab. Sie sah die Narbe nicht zum ersten Mal.
    Meine kleine unterhaltsame Einlage wurde abrupt unterbrochen, als Hermes in der Tür zum Triclinium erschien. Er ging um die Klinen herum und kam zu mir. Als höchstrangigem Gast und amtierendem Magistrat hatte man mir selbstverständlich den „Platz des Konsuls“ zugewiesen, die rechte Seite der Liege in der Mitte, von der aus ein Mann, der im Dienste des Gemeinwesens stand und niemals außer Dienst war, am bequemsten Boten empfangen und entsenden konnte.
    „Praetor“, sagte Hermes mit gedämpfter Stimme. „Wir haben die anderen Priester gefunden.“

Kapitel III
    Natürlich begleitete mich die ganze Bagage, die an dem Gelage teilgenommen hatte, und dazu noch die Hälfte der Sklaven. Schließlich wird einem nicht alle Tage so ein Schauspiel geboten. All meine Einwände und Versuche, sie vom Mitkommen abzuhalten, verhallten ungehört. So viel zur Würde und Autorität eines römischen Magistrats. Wie ein großer umherziehender Festzug fielen wir über das Gelände des Apollotempels und des Orakels der Toten her.
    Der Abend war schon weit fortgeschritten, weshalb der Ort noch unheimlicher wirkte. Ein schwacher Wind ließ die Blätter der Begräbnisbäume und -sträucher gespenstisch rascheln, als würden kleine Götter der Unterwelt sich so leise miteinander unterhalten, dass sie für das menschliche Ohr gerade nicht mehr zu verstehen waren. Wir ließen das düstere Wäldchen links liegen und steuerten direkt den Tempel an.
    „So nah“, sagte Julia und entstieg ihrer Sänfte. „Wir sind nur ein paar Schritte von da entfernt, wo alles seinen Anfang genommen hat.“
    „ Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es so kommen musste“, verriet ich ihr. „Sie hatten einfach nicht genug Zeit, als dass sie weit hätten kommen können, zumindest nicht ungesehen.“
    Meine Liktoren kamen aus unserem Quartier herbei, und ich wies sie an, auf den Stufen des Tempels Wache zu stehen und außer mir

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