Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
Vom Netzwerk:
und den Mitgliedern meines Gefolges niemanden durchzulassen.
    Hermes und einige meiner jüngeren Gefolgsleute gesellten sich zu uns. Sie hatten den selbstgefälligen Blick von Männern, die etwas Wichtiges wissen, das ansonsten noch niemand weiß. Vermutlich habe ich diese Miene selber auch gelegentlich aufgesetzt.
    „Es war leicht zu übersehen“, sagte Hermes. „Aber offenbar verfügt in dieser Gegend nicht nur das Orakel über merkwürdige Verbindungsgänge.“
    Wir folgten ihm in den Tempel. Die Lampen spendeten ein warmes Licht, und der Gott lächelte wohlwollend auf uns hinab - er war eben über alle menschliche Idiotie erhaben.
    „Also gut, bringen wir es hinter uns, bevor alle mitkriegen, was passiert ist, und die ersten Gaffer auftauchen“, sagte ich.
    Hermes nickte dem jungen Sextus Vespillo zu, und der Junge, der sich bemühte, seinen Stolz nicht allzu deutlich zu zeigen, ging zu einem verzierten Stein im Boden direkt vor der Plinthe, die die Apollostatue trug. Er beugte sich hinunter und fummelte einen Moment an der gemeißelten Verzierung herum. Dann legte er etwas frei, das aussah wie eine steinerne Schlinge. Er drehte die Schlinge, zog einmal kräftig, und der Stein kam hoch, und zwar nicht nur der eine, sondern mit ihm etwa acht weitere Steinblöcke. Das Ganze muss mehr als zweitausend Pfund gewogen haben, doch der junge hob die Steine mit einer Leichtigkeit, als handelte es sich um eine hölzerne Falltür in einem Haus. Ein weiteres Phänomen mysteriöser Technik, über das wir nur staunen konnten.
    Julia und die anderen Frauen schnappten nach Luft. Die Männer murmelten vor sich hin. Ich begnügte mich mit der Frage: „Wie habt ihr den Geheimgang entdeckt? Er ist ziemlich gut versteckt.“
    „Ich bin eben ein genauso brillanter Ermittler wie du, und ...“, unsere Blicke trafen sich. „Also gut, Sextus Lucretius versteht sich ziemlich gut mit einer der Tempelsklavinen. Sie hat ihm anvertraut, die Priester eines Abends heimlich beim Öffnen dieses geheimen Zugangs beobachtet zu haben.“
    „ Ich wünschte, all meine Assistenten würden ihre Talente so nutzbringend einsetzen“, bemerkte ich. Der Junge wurde puterrot. „Wo ist das Mädchen?“
    Hermes gab ein Zeichen, und sie trat aus dem Schatten einer Säule hervor. „Sie heißt Hypatia.“
    „Komm her, Kind!“ Das Mädchen war etwa sechzehn und ausgesprochen hübsch, was nicht anders zu erwarten war. Apollo gilt als Gott des Schönen, deshalb dienen in seinen Tempeln niemals hässliche Sklaven. Jeder physische Makel verwehrt einem nicht nur den Dienst in einem der Tempel des Apollo, sondern schließt einen auch davon aus, sein Priester zu werden. Dieses Mädchen war blond wie eine germanische Prinzessin und hatte große blaue Augen. Ihr schlichtes weißes Gewand war züchtig, ohne jedoch ihren perfekten Körper zu verbergen. Sie trat vor mich und senkte ihre schönen Augen.
    „Verrate mir, Hypatia, wie du dazu kamst, deinen Herrn auszuspionieren?“
    „Ich habe ihn nicht ausspioniert, Praetor“, entgegnete ,sie sanft. „Ich war neu hier und kannte die Regeln noch nicht. Zu meinen Pflichten gehört es, die Lampen zu löschen, bevor wir Sklaven uns zur Nachtruhe zurückziehen. Ich wusste nicht, dass es an manchen Abenden keinem außer den Priestern gestattet ist, den Tempel zu betreten. An jenem Abend kam ich herein und ging zur ersten Lampennische.“ Sie zeigte auf eine der beiden Nischen, die die Tür flankierten. „Aber plötzlich hörte ich Stimmen. Ich wandte mich um und sah die Priester mit Lampen und Fackeln vor der Apollostatue versammelt. Der Hohepriester Eugaeon bückte sich und drehte die steinerne Schlinge, die ich deinem Assistenten gezeigt habe. Ich beobachtete, wie er die Geheimtür anhob und war verblüfft. Wer so ein Gewicht heben kann, muss irrsinnig stark sein, dachte ich. Sie stiegen hinab, ohne auch nur ein einziges Mal in meine Richtung zu blicken. Ich ließ die Lampen an und eilte in mein Quartier.“ „Verstehe. Haben sie die Tür hinter sich geschlossen?“
    Sie dachte einen Moment nach. „Nein, sie haben sie heruntergelassen, aber ich glaube, sie ließen sie einen Spalt geöffnet. Ich bin nicht näher herangegangen. Ich hatte Angst.“
    „Und warum hast du nichts gesagt, als wir die Priester gesucht haben?“
    „Aus Angst. Ich fürchtete, gegen ein rituelles Gesetz zu verstoßen, wenn ich etwas sagte. In diesem Tempel gibt es jede Menge solcher Vorschriften. Außerdem hatte ich Angst, als Zeugin

Weitere Kostenlose Bücher