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Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Zeremonie gibt es keinerlei Anzeichen“, wandte ich ein. „Und wie würde diese Theorie erklären, dass die Leichen so akkurat nebeneinander lagen?“
    „Gar nicht. Aber es wäre vielleicht eine gute Geschichte, um die Leute so lange ruhig zu halten, bis du herausgefunden hast, was wirklich passiert ist.“
    „Verstehe. Ziemlich gerissen und gar keine schlechte Idee. Es würde zumindest erklären, warum die toten Körper keinerlei Spuren von Gewaltanwendung aufweisen, wobei ich die Leichen ja noch gar nicht genau untersucht habe. Aber gut, so machen wir's. Alle mal herhören: Im Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung gilt fürs Erste die Version, dass diese Männer einem bedauerlichen Unfall zum Opfer gefallen sind. Ich selber halte es zwar für absolut ausgeschlossen, aber es liegt in unser aller Interesse, diese Version zunächst aufrechtzuerhalten. Ich will keine wilden Spekulationen und das hemmungslose Wuchern von Gerüchten. Also noch einmal - für die Öffentlichkeit gilt: Die Priesterschaft des Tempels ist durch einen entsetzlichen Unfall ums Leben gekommen. Vielleicht gelingt es uns auf diese Weise, die Lage wenigstens für ein paar Tage unter Kontrolle zu halten, bis ich den Fall aufgeklärt habe.“ Alle nickten und versprachen, sich daran zu halten. Dafür, dass sie es tatsächlich tun würden, standen die Chancen allerdings äußerst schlecht. Natürlich würden die Sklaven es ihresgleichen brühwarm weitererzählen. Vor Sonnenaufgang würde in der ganzen Gegend die Gerüchteküche brodeln. Daran ließ sich nichts ändern.
    Ich hoffte nur, dass ich keine Soldaten anfordern musste.
    lm ersten Tageslicht untersuchten wir die Leichen. Wie schon Eugaeon wiesen sie keinerlei erkennbare tödliche Verletzungen auf, doch die Hände zweier Leichen waren etwas zerschunden. Hermes wies mich darauf hin. „Sieht so aus, als wäre es da unten zu einem Kampf gekommen.“
    „Ja, sie haben sich offenbar zur Wehr gesetzt“, stellte ich fest „Aber wie haben die Mörder es geschafft, sie zu überwältigen und umzubringen, ohne irgendwelche Spuren an ihren Körpern zu hinterlassen? Sie wurden nicht erwürgt. Ihre Nacken weisen keine Blutergüsse auf. Selbst wenn der Mörder sie mit einem Kissen erstickt hätte, müssten ihre Gesichter verfärbt und ihre Augen rot angelaufen sein.“
    „Vielleicht wurden sie vergiftet“, überlegte Hermes. „Möglich, aber dann bleibt immer noch die Frage, wie den Priestern das Gift verabreicht wurde.“
    „Wir mussten doch dieses Zeug trinken, bevor wir den Tunnel betreten durften. Vielleicht hatten sie ein ähnliches Ritual, und jemand hat das Gebräu vergiftet.“
    „Denkbar wäre es. Allerdings entfalten die meisten Gifte eine ziemlich heftige Wirkung. Bei einer Vergiftung werfen die Opfer sich normalerweise hin und her, oder sie haben Schaum vorm Mund, zumindest ein bisschen. Und wie ließe sich dann die akkurate Anordnung der Leichen erklären?“
    Hermes zuckte mit den Achseln. „Wer auch immer es getan hat, hatte reichlich Zeit zum Saubermachen, bevor wir die Leichen entdeckt haben.“
    „Stimmt.“ Ich seufzte. „Es gibt einfach zu viele denkbare Erklärungen für alles. Wir müssen die Möglichkeiten irgendwie eingrenzen.“

    „Ich denke, das ist deine Aufgabe“, entgegnete Hermes. Der Vorsteher der Vereinigung der Steinmetze war ein gewisser Ansidius Perna. Er war ein stattlicher Mann mit vernarbten Händen und vom Steinstaub dauerhaft geröteten Augen. Hermes hatte eine Weile suchen müssen, bis er den Richtigen gefunden hatte. Wie sich herausstellte, gab es alle möglichen Arten von Steinarbeitern: Steinbrucharbeiter, Bohrer, Steinschneider, Glattwetzer, Polierer, Bildhauer, Dekorateure oder Männer, die darauf spezialisiert waren, die präzisen Löcher zum Platzieren der trommelähnlichen Säulensteine in den Fels zu hauen. Und nicht zuletzt natürlich die Maurer, die mit den bereits bearbeiteten Steinen Häuser und Tempel bauten. Perna war der Vorsteher der Vereinigung der Steinbrucharbeiter, Bohrer und Steinschneider. Er stand vor mir, während ich mich in meiner purpurn gesäumten Toga und von meinen Liktoren flankiert in meinem kurulischen Stuhl fläzte.
    Wir befanden uns in meinem vorübergehenden Hauptquartier, das ich neben dem Doppeltempel aufgeschlagen hatte. Aus den kleineren Marktaktivitäten, die ein paar Tage zuvor begonnen hatten, war in der Zwischenzeit ein ziemlich turbulenter regionaler Jahrmarkt geworden, und jeden Tag strömten mehr

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