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Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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geizte nicht mit Lob. Allein für die Besichtigung der Statue hätte sich der Ausflug nach Stabiae gelohnt.
    Wir zogen uns in einen Amtsraum zurück und erörterten die Modalitäten - den Ort, an dem das Gericht tagen sollte, die Amtspersonen, die anwesend zu sein hatten, sowie die Reihenfolge, in der die Fälle verhandelt werden sollten.
    „Sind bei irgendeinem der zu verhandelnden Fälle besondere Komplikationen zu erwarten?“, erkundigte ich mich. „Ich bin momentan nicht in der Stimmung für unangenehme Überraschungen.“
    „Keine Sorge, Praetor“, versicherte mir der städtische Praetor, ein Amtsträger ohne Imperium und die weitreichenden Machtbefugnisse eines Praetors aus Rom. „Alles unkompliziert.“ Da die Bewohner der Stadt die vollen Bürgerrechte besaßen, konnten sie gegen die Urteile des städtischen Praetors Berufung einlegen und ein Gericht in Rom anrufen. Das war normalerweise kein weiser Zug, denn römische Magistrate hassten es, sich ihre Terminpläne mit belanglosen Klagen und Beschwerden von Provinzlern durcheinander bringen zu lassen. Nur wer beträchtliche Bestechungsgelder zahlen konnte, wagte einen solchen Schritt.
    Als der Organisationskram erledigt war, beschloss ich, mir die Stadt anzusehen. Ich entließ meine Liktoren und wies sie an, in Sabinillas Villa auf mich zu warten. Sie protestierten und erklärten, dass es eines Praetors nicht würdig sei, ohne Eskorte umherzulaufen. Ich entgegnete, dass ich tun und lassen könne, was ich wolle, tauschte meine Toga praetexta gegen eine schlichte weiße Toga und schickte sie fort.
    Ich hatte die Nase gestrichen voll davon, auf Schritt und Tritt von einem umfänglichen Gefolge begleitet zu werden. Manchmal sehnte ich mich nach den Tagen zurück, in denen ich ein anonymer Bürger gewesen war, den kaum jemand kannte, und in denen ich mich herumtreiben und nach Lust und Laune in Raufereien stürzen konnte. Mir diesen wehmütigen Wunsch nach jugendlicher Ungebundenheit wurde ich von Julia regelmäßig gescholten. Aber sie hatte Recht. Wir Männer lernen Reife und Klugheit lediglich vorzutäuschen. Tief im Innern bleiben wir ewig Heranwachsende - unbekümmert und tollkühn. Aber was soll's? Genauso mochte ich es.
    Natürlich ließ ich nicht alle Vorsichtsmaßnahmen außer Acht unter meiner Tunika steckten mein Dolch und mein Caestus. Um ehrlich zu sein, hoffte ich sogar ein wenig, in eine Schlägerei verwickelt zu werden. Ich hatte schon seit Monaten nicht mehr richtig gekämpft und spürte, dass meine Kampfkraft auf der Strecke zu bleiben drohte. Es musste ja keine ernste Schlägerei sein, nur ein bisschen Fäuste schwingen und Bänke werfen, um das Blut in Wallung zu bringen.
    Doch Stabiae erwies sich als ein ruhiges, friedliches Städtchen, das voller wohlhabender Besucher war, die in den heißen Quellen Heilung von ihren Leiden suchten. Es wimmelte von Händlern, die sich um die Bedürfnisse der Besucher kümmerten und sie um ihr überschüssiges Geld erleichterten. Ich kehrte in ein paar Seemannsspelunken ein, doch dort gab es nichts außer schlechtem Wein. Die Seeleute tranken, würfelten und tauschten die Namen besonders kunstfertiger Huren aus, aber das war auch schon alles. Nach einer Weile verließ ich die Hafengegend und schlenderte zurück ins Stadtzentrum.
    Ich wollte gerade aufgeben und mich auf den Weg zu Sabinillas Villa machen, als mir jemand etwas zuzischte und ich eine Hand sah, die mich zu einer Tür winkte. Ich befand mich in einer jener typischen, engen Gassen und hatte gehofft, dass sie mich zum Forum führen würde, wo ich mich orientieren könnte, um das landeinwärts gelegene Tor zu finden. Die Hand war weiß, wohlgeformt und mit einigen Ringen geschmückt, von denen allerdings keiner besonders wertvoll aussah. Ich vermutete, dass die Hand einer Hure gehörte, die auf der Suche nach einem Freier war. Als ich mich näherte, steckte die Frau ihren Kopf durch den Türspalt. Ihr Haar war mit einem Tuch bedeckt, was für Huren nicht gerade typisch war. Auch ihr Gewand entsprach eher dem einer gewöhnlichen Dame.
    Sie versicherte sich kurz in beide Richtungen, dass wir nicht beobachtet wurden, und sagte dann: „Du bist doch der römische Praetor, nicht wahr? Der wegen der Morde im Tempel ermittelt.“ Sie sprach so leise, dass es kaum mehr als ein Flüstern war, und sie schien sehr nervös. Sie hatte eindeutig vor irgendetwas Angst.
    „So ist es.“
    Sie packte mich am Arm. „Komm rein, schnell! „ Während ich über die

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