Das Orakel vom Berge
erinnern.
»Den Großteil der eigentlichen Verkaufsarbeit mußt du machen«, sagte Ed, aber er wußte, daß er zu Childan gehen mußte. Er hatte sich einen guten Anzug, eine neue Krawatte und ein weißes Hemd gekauft, um den richtigen Eindruck zu machen. Trotzdem fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut. »Ich weiß, daß wir gut sind«, sagte er zum tausendsten Mal. »Aber – ach was.«
Die meisten Stücke waren abstrakt. Drahtschlingen und Muster, die bis zu einem gewissen Grad die Materialien beim Schmelzen von selbst angenommen hatten. Einige waren zart wie Spinnennetze, andere wieder von massiver, mächtiger, beinahe barbarischer Schwere. Eine erstaunliche Auswahl, überlegte Frank. Ja, ein Laden konnte alles kaufen, ohne sich zu wiederholen. Der erste Auftrag – wenn wir den bekommen, werden wir den Rest unseres Lebens nichts anderes tun, als Nachholaufträge zu erfüllen.
Gemeinsam luden sie die samtüberzogenen Bretter in den Korb. Im schlimmsten Fall können wir das Metall ja wieder verkaufen, sagte sich Frank. Und die Werkzeuge und die Einrichtungen, die können wir mit Verlust abstoßen, aber wir bekommen wenigstens etwas dafür.
Dies ist der Augenblick, um das Orakel zu befragen. Ich muß fragen: Wie wird es Ed auf seiner ersten Verkaufstour ergehen? Aber er war zu nervös. Am Ende bekam er ein schlechtes Omen, und das würde er nicht ertragen. Jedenfalls, die Würfel waren gefallen; die Stücke fertiggestellt, die Werkstätten eingerichtet – was auch immer das I Ching jetzt sagen mochte. Schließlich verkauft ja nicht das I Ching unseren Schmuck… Und Glück kann es uns auch keines geben.
»Ich gehe zuerst zu Childan«, sagte Ed. »Ist doch am besten, wenn wir es hinter uns bringen. Und dann kannst ja du ein paar versuchen. Du kommst doch mit, oder? Mit dem Wagen. Ich parke gleich um die Ecke.«
Als sie mit ihrem Warenkorb in den Lieferwagen stiegen, dachte Frink, wer weiß, ob Ed ein guter Verkäufer ist oder ob ich einer bin. Sicher kann man Childan etwas verkaufen, aber dazu gehört eine Präsentation, wie es immer heißt.
Wenn Juliana hier wäre, dachte er, könnte sie einfach hineingehen und es schaffen, ohne mit der Wimper zu zucken; sie ist hübsch, sie hat keine Hemmungen, sie kann mit jedem Menschen reden, und sie ist eine Frau. Schließlich ist das Frauenschmuck. Sie könnte ihn tragen. Er schloß die Augen und versuchte sich auszumalen, wie sie mit einem ihrer Armbänder aussehen würde. Oder einer dieser schweren silbernen Halsketten. Mit ihrem schwarzen Haar und ihrer hellen Haut und den großen suchenden Augen… In einem grauen Jerseypullover, vielleicht eine Spur zu eng, das Silber auf der bloßen Haut, sich bei jedem Atemzug hebend und senkend…
Herrgott, er sah sie jetzt ganz deutlich vor sich, in diesem Augenblick. Jedes Stück, das sie gemacht hatten, hoben ihre kräftigen, dünnen Finger auf, untersuchten es; dann warf sie den Kopf in den Nacken und hielt das Stück in die Höhe, um es besser sehen zu können. Juliana, stets Zeugin von allem, was er getan hatte.
Am besten würden ihr Ohrringe stehen, dachte er. Die leuchtenden aus Messing. Mit zurückgestecktem oder kurzgeschnittenem Haar, so daß man ihren Nacken und die Ohren sehen konnte. Wir könnten dann Fotos von ihr machen, für die Werbung und die Prospekte. Er hatte mit Ed über einen Katalog gesprochen, auf die Weise würden sie per Post an Geschäfte in anderen Teilen der Welt verkaufen können. Großartig würde sie aussehen… ihre Haut ist so rein und gesund, ganz ohne Falten und von schöner Farbe. Ob sie es wohl tun würde, wenn ich sie ausfindig machen könnte? Gleichgültig, was sie von mir denkt, es hat ja nichts mit unserem persönlichen Leben zu tun. Eine rein geschäftliche Angelegenheit wäre das.
Zum Teufel, ich würde nicht einmal die Bilder selbst machen. Wir würden uns dazu einen Berufsfotografen holen. Das würde ihr Spaß machen. Sie ist wahrscheinlich immer noch so eitel. Sie mochte es immer, wenn die Leute sie ansahen, sie bewunderten; jeder Beliebige durfte das. Ich denke, die meisten Frauen sind so. Die ganze Zeit darauf aus, Aufmerksamkeit zu erwecken. Wie kleine Kinder.
Er dachte, Juliana hat es nie ertragen, alleine zu sein; sie mußte mich die ganze Zeit um sich haben, damit ich ihr Komplimente machen konnte. Kleine Kinder sind so, sie spüren es, wenn ihre Eltern ihnen nicht zusehen. Ohne Zweifel hat sie jetzt irgendeinen Kerl, der sie beachtet. Der ihr sagt, wie hübsch sie
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