Das Orakel vom Berge
Baynes.«
»Die Gastfreundschaft, die Sie mir gewähren, ist unübertroffen. Eines Tages, das weiß ich, werden Sie die Gründe kennenlernen, die mich veranlaßten, unsere Besprechung zu verschieben, bis der alte Herr…«
»Er ist leider noch nicht eingetroffen.«
Mr. Baynes schloß die Augen. »Ich dachte, nachdem gestern…«
»Leider nein, Sir.« Kaum noch höflich. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, Mr. Baynes. Wichtige Geschäfte.«
»Guten Tag, Sir.«
Das Telefon klickte. Heute hatte Mr. Tagomi aufgelegt, ohne auch nur ›Auf Wiederhören‹ zu sagen, Mr. Baynes legte langsam auf.
Ich muß etwas unternehmen, kann nicht mehr warten.
Seine Vorgesetzten hatten es ihm ganz deutlich gesagt, daß er unter keinen Umständen mit der Abwehr Verbindung aufnehmen dürfte. Er mußte warten, bis es ihm gelungen war, mit dem militärischen Vertreter der Japaner Verbindung aufzunehmen; er mußte mit dem Japaner verhandeln und dann nach Berlin zurückkehren. Aber niemand hatte vorhersehen können, daß Bormann in diesem Augenblick sterben würde. Deshalb…
Die Instruktionen mußten überholt sein. Aber er hatte niemanden, mit dem er sich beraten konnte.
In den PSA waren mindestens zehn Abwehragenten tätig, aber einige von ihnen – wahrscheinlich alle – waren dem SD und seinem Sektionschef, Bruno Kreuz vom Meere, bekannt. Er hatte vor Jahren Bruno bei einer Parteiversammlung kurz kennengelernt. In Polizeikreisen genoß der Mann gewissen Ruhm, da er es gewesen war, der 1943 den britisch - tschechischen Anschlag auf Reinhard Heydrich entdeckt hatte, so daß man sagen konnte, daß er das Leben des Henkers gerettet hatte. Jedenfalls war Bruno Kreuz vom Meere wesentlich mehr als ein gewöhnlicher Polizeibürokrat.
Er war ein ziemlich gefährlicher Mann. Es bestand durchaus die Möglichkeit, daß der SD trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, die sowohl die Abwehr in Berlin als auch der Tokkoka in Tokio getroffen hatte, von diesem geplanten Zusammentreffen in San Francisco erfahren hatte. Aber immerhin war das hier im Gebiet, das unter japanischer Verwaltung stand; die SD-Leute konnten offiziell nichts unternehmen. Sie konnten dafür sorgen, daß der deutsche Unterhändler – in diesem Fall er – sofort verhaftet wurde, wenn er den Fuß wieder auf den Boden des Reiches setzte. Aber hier konnten sie nichts gegen den japanischen Unterhändler oder die Besprechung selbst unternehmen. Wenigstens hoffte er das.
Ich muß jetzt erfahren, ob Mr. Yatabe noch kommt. Seine Vorgesetzten mußten das wissen. Und wenn der SD ihn aufgehalten oder die Regierung in Tokio ihn zurückgerufen hat – so müssen sie das wissen.
Und wenn es ihnen gelungen ist, sich den alten Herrn zu schnappen, erkannte er, dann werden sie mich auch bekommen.
Und dennoch war die Lage selbst unter diesen Umständen nicht hoffnungslos. Mr. Baynes war eine Idee gekommen.
Es wäre immer noch besser, meine Informationen Mr . Tagomi zu geben, als mit leeren Händen nach Berlin zurückzukehren . Auf diese Weise bestand immerhin die Chance – wenn auch eine recht geringe –, daß zu guter Letzt die richtigen Leute informiert wurden. Aber Mr. Tagomi konnte nur zuhören; das war der Haken an seiner Idee. Im besten Falle konnte er zuhören, das Gehörte seinem Gedächtnis einprägen und dann so bald wie möglich eine Dienstreise zu den Heimatinseln unternehmen. Während Mr. Yatabe einer höheren Rangstufe angehörte. Er konnte beides tun – hören und sprechen.
Aber das war immerhin besser als nichts. Die Zeit begann, knapp zu werden. Ganz von neuem zu beginnen, sorgfältige vorsichtige Arrangements zu treffen, die Monate in Anspruch nahmen, erneut die delikaten Kontakte zwischen einer Partei in Deutschland und einer Partei in Japan herzustellen…
Mr. Tagomi würde zweifellos überrascht sein, plötzlich festzustellen, daß Mr. Baynes Wissen dieser Art besaß, Wissen auf einer ganz anderen Ebene. Mit Kunststoffspritzverfahren hatte das nur ganz wenig zu tun… vielleicht bekam er sogar einen Nervenzusammenbruch. Vielleicht wird er sich weigern, mir zu glauben, aufstehen, sich verbeugen und sich in dem Augenblick, wo ich zu reden anfange, entschuldigen und das Zimmer verlassen. Indiskret. So könnte er es sehen. Aber was würde das helfen. Natürlich kann er ablehnen, mich anzuhören. Aber später. Wenn es nicht mehr nur um Worte geht… wenn ich ihm das jetzt nur klarmachen kann. Ihm oder mit wem ich sonst am Ende sprechen werde…
Mr. Baynes verließ sein
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