Das Orakel von Antara
bei einem Imbiss und Erfrischungen in den gemütlichen Lehnstühlen von Sabretes Speisezimmer saßen, sagte Yorn:
„Es gäbe zwar heute noch viel zu tun, aber ich denke, dass wir dennoch einige Stunden der glücklichen Wiedervereinigung von Freunden widmen können. Es tut mir nur leid, dass Reven noch nicht zurück ist und mit uns unseren wiedererstandenen Helden feiern kann. Na, der wird Augen machen, wenn er Kandon sieht! Aber nun muss Kandon erzählen, was ihm widerfahren ist. Wir haben ein Recht, das als erstes zu erfahren, denn schließlich haben wir lange genug um ihn getrauert.“
„Ah! Ihr habt um mich getrauert?“ grinste Kandon. „Na, warte, ich werde dich daran erinnern, wenn du mich das nächste Mal wieder ärgerst! Aber ich kann euch gar nichts sagen, da ich ja nur die beiden letzten Tage mitbekommen habe. Lagor hier kann euch davon viel mehr erzählen als ich.“
„Ja, wo soll ich anfangen?“ seufzte Lagor. „Es ist so viel geschehen, dass ich es erst selbst wieder zusammenbekommen muss. Also, nachdem ich euch geholfen hatte, musste ich mich zunächst einmal verstecken. Es gibt hier im Palast einige Schlupfwinkel, und ich habe treue Freunde, die mir halfen. Von denen hörte ich dann, dass die Moradonen Kandon für tot liegengelassen hatten und den antarischen Sklaven befahlen, die Leiche fortzuschaffen. Doch diese entdeckten, dass noch Leben in Kandon war, und verbargen ihn an einem sicheren Platz. Der Leibarzt von Xero hat einen antarischen Gehilfen, der vielleicht noch mehr von der Heilkunst versteht als sein ehemaliger Herr. Dieser kümmerte sich um Kandon und stellte fest, dass sein Schädel einen Bruch im Knochen hatte, aber Saadh sei Dank nicht eingedrückt war. Ich meine, mich an einen Vergleich mit einem Ochsenschädel zu erinnern, den er erwähnte, bin aber nicht sicher.“ Lagor warf einen verschmitzten Seitenblick auf Kandon.
„Na, na!“ brummte Kandon. „Verlass' dich nicht zu sehr darauf, dass ich noch schwach bin!“
„Jedenfalls war Kandon lange Zeit ohne Bewusstsein, und der Arzt befürchtete schon, er würde nie wieder erwachen. Ich konnte euch nicht benachrichtigen, als ich Kandon gefunden hatte, denn zu dieser Zeit ging hier schon alles drunter und drüber. Ich hatte einen Boten zu Schorangar geschickt, der ihn aber nicht mehr antraf und auch nicht erfahren konnte, wohin er verschwunden war.
Ich habe es dann auch nicht mehr versucht, denn ich dachte mir, es würde euch nur noch mehr Kummer bereiten, wenn Kandon für euch ein zweites Mal ste rben würde. Ich beschloss abzuwarten, ob er jemals wieder zu sich kommt. Und vorgestern ist er dann erwacht. Seit dieser Zeit hat er nur zwei Dinge getan: mich genervt und Berge von Essen in sich hineingeschlungen, die ich in dieser Zeit der knappen Vorräte kaum beschaffen konnte.“
„Ja, das ist unser alter Kandon!“ lachte Yorn. „Daran erkennen wir, dass er es wirklich ist und dass uns niemand einen Wechselbalg untergeschoben hat.“
Auch die anderen lachten so befreit wie schon lange nicht mehr. Nun gehörte die Trauer um Kandon, die jede Freude überschattet hatte, der Vergangenheit an. Nur Kandon tat empört.
„Bedenkt, dass ich ja schließlich die ganze Zeit über nichts anderes zu essen bekommen habe als die dünne Suppe, die man mir einflößte. Ein Mann wie ich braucht schließlich etwas Vernünftiges zu essen. Seht mich nur an, wie dünn ich geworden bin!“
„Ja, du Armer!“ sagte Vanea ernst, doch in ihren Augen blitzte der Schalk. „Man sieht genau, dass du nur noch etwa anderthalb mal so viel wiegst wie ein normaler Mann, wo du sonst gut zweimal so viel auf die Waage brachtest. Aber lass’ gut sein, wir werden dich schon wieder herausfüttern.“
„Ach ja!“ seufzte Kandon abgrundtief. „Ich sehe schon, dass wieder alles beim Alten ist. Wäre ich tot, würdet ihr mir ein Denkmal setzen, aber kaum lebe ich wieder, werde ich von allen Seiten gehänselt. - Aber soll ich euch etwas sagen?“ Er lachte und reckte seinen mächtigen Körper. „So gefällt es mir! Es würde mir sonst wirklich etwas fehlen.“
Doch dann bestand er darauf, alles zu erfahren, was sich in der Zwischenzeit ereignet hatte. Stunden vergingen mit den Berichten der Freunde. Jeder hatte etwas zu den Ereignissen beizutragen, bis sich schließlich für alle das Bild der Geschehnisse abgerundet hatte. Es war schon spät in der Nacht, als man draußen vor den Gemächern Sabretes Stimmen
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