Das Orakel von Atlantis
durchtosten. Er wußte wirklich nicht, wie er sich verhalten sollte. Zurück bleiben konnte er auch nicht. Wenn sich das Tor zu dem geheimnisvollen Orakel schloß, würde er für immer verschollen bleiben und vielleicht nie mehr den Weg zurück finden. An meiner Seite besaß er wenigstens noch eine hauchdünne Chance.
Dann nickte er. »Auf deine Verantwortung«, sagte er und setzte sich wankend in Bewegung.
Ich drehte mich wieder um, weil ich sicher war, daß er nachkam. Ich hatte einen Fehler gemacht. Aber das merkte ich zu spät. Erst als ich den Schrei hörte, wirbelte ich auf der Stelle herum, und meine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Es hatte Georgis erwischt. Ausgerechnet in dem Augenblick, als er sich mit dem geheimnisvollen Eingang auf einer Höhe befand, schloß dieser sich.
Das geschah nicht langsam, sehr schnell wickelte sich dieser grausame Vorgang ab. Innerhalb weniger Herzschläge wuchs die Wand wieder zu, und sie verschlang den Mann.
Er schrie verzweifelt, hatte seine Arme vorgestreckt, die Hände gespreizt und verschwand vor meinen Augen, indem er mit der Mauer eins wurde. Ich überwand mein Entsetzen, jagte auf ihn zu und prallte gegen die Wand aus Stein, wobei ich in Gürtelhöhe eine Berührung spürte, nach unten schaute und das letzte Zucken der aus der Wand ragenden Finger sah, die mich berührten.
Ich zuckte zurück, schaute auf die Hand, die plötzlich bewegungslos wurde.
Nur sie wies darauf hin, welch ein Grauen sich vor meinen Augen abgespielt hatte.
Die Kräfte einer uralten Magie reagierten gnadenlos, wenn man nicht das tat, was sie wollten.
Sie hatten wieder ein Opfer gefunden. Einen jungen Menschen, der in der Wand steckte, von ihr verschlungen worden war und als letztes grausames Indiz seinen Arm hervorgestreckt hielt.
Das ging mir verdammt unter die Haut. Wieder einmal wurde mir demonstriert, wie brutal die Mächte der Finsternis waren, auch wenn sie aus einer Zeit stammten, die weit zurücklag.
Abermals rief mich der geheimnisvolle Sprecher an. »Er hätte nicht länger zögern sollen. Sei froh, daß du nicht gewartet hast, John Sinclair.«
Ich wurde wütend. »Verdammt noch mal, der Mann hätte leben können. Ihr habt ihn getötet!«
»Was interessieren uns schon Menschenleben«, bekam ich als Antwort.
»Wir spielen mit ihnen, wir manipulieren Menschen, aber das ist zweitrangig. Du, John Sinclair, hast das Orakel betreten. Du sollst es kennenlernen. Das Orakel von Atlantis wartet auf dich. Eine große Aufgabe, die große Prüfung. Vielleicht bekommst du Antwort. Setze alles ein, denn sonst bist du verloren. Das Orakel kann auch töten…«
... Töten... Töten... echote es, während ich mich allmählich umdrehte und nach vorn schaute.
Im ersten Augenblick wollte ich das, was sich meinen Augen bot, als grandios bezeichnen. Ich befand mich weiterhin innerhalb einer gewaltigen Höhle. Sie war monströs, riesig, wobei ich deren Decke nicht einmal ahnen konnte, weil sie irgendwo innerhalb einer geheimnisvollen Zwielicht-Zone verschwand.
Die Dunkelheit war gewichen. Es existierte ein Licht, das an keinem bestimmten Punkt seine Quelle besaß, sondern von überallher kam. Man konnte es schlecht beschreiben. Irgendwie hatte ich das Gefühl, das Licht greifen zu können, so dicht sah es aus, und es erlaubte mir auch eine weite Sicht in diese seltsame Halle.
Wo ich mich eigentlich befand, war mir unklar. Vielleicht unter dem Wasser, vielleicht inmitten des Wassers oder in einer anderen Dimension. Auf jeden Fall hatte ich das Orakel gefunden und schritt hefer in diesen Felsen hinein.
Der Boden unter mir bestand zwar aus einem harten Material, er war jedoch überwachsen. Ich hatte das Gefühl, auf einem Teppich aus Moos zu laufen, so weich und nachgiebig war er an manchen Stellen. Aber nicht überall eben. Wie die Buckel von Kamelen erhoben sich runde Hügel aus der ansonsten glatten Fläche. Ich sah sie überall, und sie befanden sich auch nahe der gewaltigen, ebenfalls mit Moos bewachsenen Säulen, die eine Decke hielten, die ich selbst nicht sah. Diese Hügel mußten eine Bedeutung haben. Sie allerdings war mir im Augenblick unklar, und ich schritt langsam weiter, wobei ich hin und wieder mit den Händen über eine der abgerundeten Hügelkuppen strich. Der Bewuchs darauf war nicht kalt, kühl oder naß, sondern warm, und er fühlte sich auch irgendwie anschmiegsam an.
Wie das Fell einer Katze.
Je tiefer ich in die Halle hereinschritt, um so dichter wuchsen die Hügel
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