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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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nickte sie. “Vielleicht lenkt mich das etwas von meinem Magen ab. Ich fühle mich, als würde alles in mir umherschwappen und versuchen, wieder herauszukommen.”
    “Habt keine Angst”, sagte der junge Seemann, der geschickt worden war, sie zu holen. “Das ging mir genauso, als ich das erste Mal segelte. Ab und zu, wenn wir raue See haben, kommt es wieder. Hier.” Er kramte in seiner Hosentasche und zog einen fest gepressten, ziegelförmigen kleinen Brocken von widerlich grünbrauner Farbe hervor.
    Rath verzog das Gesicht, als ihm der Gestank von Salz und Fisch in die Nase stieg. “Was ist das?”
    “Getrocknetes Seegras”, antwortete der Bursche. “Wenn man sich erstmal an den Geschmack gewöhnt hat, ist es eine Freude, darauf herumzukauen. Beruhigt einen kranken Magen besser als alles, was ich sonst je ausprobiert habe.”
    “Danke.” Maura brach ein Stückchen davon ab, schob es mit skeptischem Blick in den Mund und begann zu kauen. Zwar verzog sie das Gesicht wegen des Geschmacks, doch weder spuckte sie es aus, noch hängte sie sich über die Reling, um ihr Frühstück herauszuwürgen. Nach einiger Zeit gelang ihr sogar ein schwaches Lächeln. “Vielleicht ähnelt dieses Zeug Käsekraut – der starke Geruch ist ein Zeichen seiner Wirksamkeit. Ich glaube, ich fühle mich schon ein wenig besser.”
    Und tapfer täuschte sie Interesse vor, während Captain Gull sie durch das Schiff führte. Rath hingegen musste kein Interesse heucheln. “Erstaunlich, dass Ihr ein Schiff dieser Größe ohne jedes Metall bauen konntet!”
    Gull zuckte die Achseln. “Die See geht mit Metall nicht freundlich um. Holzstifte quellen bei Nässe auf und halten besser als Nägel, die einem nur verrosten. Die Phantom wurde in einer Werft in Galene gebaut. Einige Bäume dort haben ein Holz, das fast so hart ist wie Eisen. Und manche Schiffsteile bekamen außerdem einen stärkenden Zauber.”
    Wie ein Vater sein geliebtes Kind liebkost, so streichelte er voll stolzer Zärtlichkeit den mittleren Mast.
    “Wieso sind Eure Segel entlang der Länge des Schiffes angeordnet und nicht in seiner Breite?”, fragte Rath. “Würden sie so den Wind nicht besser einfangen?”
    Gull grinste. “Wenn der Wind günstig ist, stimmt das, Landratte. Die Han takeln ihre Segel so auf, wie Ihr es beschreibt. Deswegen kann ihre Flotte nur zu bestimmten Zeiten des Jahres segeln. So wie jetzt, um die Mittsommerböe zu nutzen.”
    “Mittsommer…?”
    “…böe.” Gull schüttelte den Kopf. “Ihr habt wirklich keine Ahnung von der See. Die Böe ist ein schneller, kalter Wind, der um diese Jahreszeit immer die Küste entlangstreift. Die Han segeln auf ihm mit ihren großen, schwerfälligen, mit Erz beladenen Kähnen. Langsam wie Ochsen sind die – und genauso schwer zu lenken. Doch der Wind ist so unbeständig wie eine schöne Frau. Wenn wir unsere Segel setzen, werden wir zu Herren des Windes, nicht zu seinen Sklaven. Wenn der Wind den Han ins Gesicht bläst, könnten wir Ringelreihen um ihre Flotte tanzen!”
    Bei der Vorstellung musste Rath grinsen. “Das hört sich gut an! Ärgert Ihr sie oft?”
    “Sehe ich aus wie ein Narr, Landratte?” Gull hob die Hände und wackelte mit seinen acht Fingern. “Ich liebe meine mir noch verbliebenen Finger und möchte sie behalten. Und meinen hübschen Kopf auch, was das betrifft. Außerdem noch ein paar andere Kleinigkeiten, die ich in Gegenwart Eurer edlen Dame nicht erwähnen möchte.”
    “Aber Ihr könntet Ringelreihen um sie herumtanzen?”
    “Um ihre Galeeren herum, ja. Doch die Han sind keine Narren – sie schicken ihr kostbares Erz nicht ohne Schutz in ihr Heimatland. Die Flotte wird von Kampfschiffen, den so genannten Aufschlitzern eskortiert. Die würden schnell mit einer größeren Bedrohung als meiner hübschen Phantom fertig. Sie sind schlank und wendig, schnell wie der Teufel, wenn der Wind hinter ihnen ist. Und wenn sie ein Holzschiff wie unseres erwischen, haben sie einen scharfen eisernen Schiffsschnabel, der schneidet durch unseren Rumpf wie ein Messer durch Pudding.” Die Worte des Captains erinnerten Rath an die Hunde der Han, mit denen sie die Bevölkerung von Umbria terrorisierten – schnell, scharf und bösartig.
    Inzwischen hatte Gull seinen Rundgang beendet. Der Wind war stärker geworden und am östlichen Horizont türmten sich drohend dunkle Wolkenmassen.
    Gull atmete prüfend die Luft ein. “Riecht nach Sturm. Am häufigsten kommen die Stürme aus dem Westen, aber ab und

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