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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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Wahrheit sagen. Sollen wir an Deck gehen und ein wenig frische Luft schnappen?”
    Sie nickte, dann stützte sie sich schwer auf ihn, als er ihr beim Aufstehen half. Oben trafen sie auf die Mannschaft. Die Männer reparierten die Schäden am Schiff und gingen etwas benommen ihrer Arbeit nach. Die meisten machten den Eindruck, als wären sie nach einem harten Schlag auf den Kopf noch nicht wieder so richtig zu sich gekommen.
    Nur Gull sah entspannt und ausgeruht aus, obwohl er wahrscheinlich die ganze Nacht das Deck nicht verlassen hatte, wie Rath vermutete. Seine Kleider und sein Haar schienen noch feucht zu sein, aber die Katze, die sich auf seinen Schultern räkelte, war allem Anschein nach ziemlich trocken. Rath fragte sich, wie sie den Sturm überstanden hatte.
    Gull hockte auf einer erhöhten Plattform am Vorderschiff, die von einer hüfthohen Reling umgeben war. Mit Hilfe eines langen Rohrs, das entweder aus sehr hellem Holz oder vielleicht auch aus Elfenbein geschnitzt war, suchte er den Horizont ab. Rath ahnte, wonach er Ausschau hielt.
    “Irgendwelche Anzeichen der Erzflotte?”, rief er dem Captain zu.
    “Nichts zu sehen, Landratte.” Gull ließ das Rohr sinken und lehnte sich an die Reling. “Es wäre zu schön, wenn der Sturm sie nach Osten in die verhexten Gewässer rund um die Vestanischen Inseln getrieben hätte. Aber das ist wahrscheinlich zu viel der Hoffnung. Sicher hatten sie die Inseln bereits passiert, als der Sturm ausbrach.”
    Maura seufzte. “Ich wünschte,
wir
hätten die Inseln erreicht, bevor er ausbrach.”
    “Da, wo ich herkomme, gibt es ein Sprichwort.” Gull sprang unbekümmert mit einem Satz von seinem Ausguck herunter. “'
Der schlimmste Wind ist besser als gar keiner.
' Der hier hat uns nur schneller zu unserem Ziel geblasen. Ich denke, noch vor Einbruch der Nacht erreichen wir Margyle.”
    “Je früher, desto besser”, murmelte Maura.
    Nach dem nächtlichen Sturm verlief der Tag ruhig. Am späten Morgen beobachteten Rath und Maura fasziniert, wie eine Herde von Seeungeheuern,
Nieda
genannt, hinter dem Schiff herschwamm. Mit einer für ihre Größe erstaunlichen Eleganz sprangen die Tiere hoch in die Luft, hin und wieder gingen zwei der größeren mit ihren riesigen, gewundenen Hörnern aufeinander los und erinnerten Rath an die wilden Ziegen des Diesseitslands.
    In den warmen Nachmittagsstunden rollten Rath und Maura sich in einem ruhigen, schattigen Winkel an Deck zusammen und ließen sich von der beruhigenden Melodie der Wellen in den Schlaf wiegen. Später wurde Rath von einer Stimme hoch oben in einem der Maste geweckt. Auch wenn er die Worte nicht verstand, verhieß der Tonfall nichts Gutes. Und die plötzliche, hastige Aktivität der Mannschaft bestätigte seine Befürchtung.
    Auch Maura rührte sich, als einige Männer in verschiedene Richtungen an ihnen vorbeiliefen. “Ich frage mich, was da los ist.”
    Rath konnte es sich vorstellen, doch er wollte sie nicht beunruhigen. Dann stürzte der junge Mann, der Maura das Seegras gegeben hatte, auf sie zu. “Der Captain sagt, Ihr sollt nach unten gehen und uns nicht behindern. Wir haben Schiffe hinter uns entdeckt, die sich rasch nähern – die Erzflotte, sagt der Captain.” Der Junge spuckte auf Deck. “Verflucht sei dieser Abschaum! Wenn sie uns einholen, schnappt Euch etwas Schweres und springt über Bord. Lieber will ich Fischfutter werden, als mich von den Han fassen zu lassen!”
    Rath zog Maura von den Planken hoch und stellte fest, dass er den Ratschlag des Burschen nicht annehmen würde. Vor die Wahl zwischen Gefangenschaft und Tod gestellt, hatte er mehr als einmal den Tod gewählt. Doch jetzt wusste er, dass der Tod nicht länger eine ehrenhafte Wahl war, weil in ihm der zarte Keim des Glaubens aufgegangen war.
    4. KAPITEL
    Hier draußen auf dem weiten Meer konnte man sich nicht verstecken. Um sie herum war die Mannschaft damit beschäftigt, Segel zu setzen oder anderen Aufgaben nachzugehen, deren Sinn sie nicht verstand. Die Luft schien von einem Gefühl der Angst aufgeladen, das jeden Moment in völlige Panik umzuschlagen drohte.
    “Komm.” Rath zog sie am Arm. “Lass uns wohingehen, wo es sicher ist. Und danach will ich sehen, ob ich irgendwie helfen kann.”
    Maura wehrte sich. “Du hast doch den Jungen gehört. Wenn die Han das Schiff entern, wird es nirgendwo sicher sein. Ich möchte lieber bei dir bleiben und tun, was ich kann.”
    Einen Moment lang sah es aus, als wollte Rath mit ihr

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