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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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sich.
    »Und der deutsche Soldat, René? Hast du nie daran gedacht? War er am allwöchentlichen Tag der Geflügelabgabe auf dem Markt nicht gut plaziert, um im Gegacker die Informationen weiterzugeben, die er in der Kommandantur aufgeschnappt hatte? Er konnte kein Französisch, aber er hatte gelernt, wie man sagt: ›Morgen früh im Morgengrauen, sie müssen vorher weg.‹ Weißt du es jetzt? Aha … jetzt siehst du sein Gesicht wieder vor dir, das Gesicht des Soldaten, monatelang bist du an ihm vorbeigegangen … Ist das Bild ein bißchen unscharf? Na, dann sieh mich an, René, das wird dir helfen, die Leute sagen, ich würde ihm sehr ähneln. Ja, jetzt hast du es, und mit ein bißchen Anstrengung wirst du dich an seinen Namen erinnern, Ulrich Kehlweiler. Er wird zufrieden sein, wenn er erfährt, daß ich dich gefunden habe, doch, das versichere ich dir.«
    Plötzlich ließ Louis den Sessel und Blanchets Kinn, das er zwischen seinen Fingern zusammendrückte, los. Marc ließ ihn nicht aus den Augen, sein Magen verkrampfte sich, was sollte er tun, wenn Louis den Alten erwürgte? Aber Louis ging wieder auf die andere Seite des Schreibtischs und setzte sich mit einer Pobacke auf den großen Tisch.
    »Erinnerst du dich an das Spektakel, als der Soldat Ulrich verschwunden war? Alle Häuser wurden durchsucht. Weißt du, wo er war? Du wirst lachen. Im hölzernen Bettkasten der Tochter des Lehrers. Genial, findest du nicht? Und so was knüpft Verbindungen. Tagsüber mit der Angst im Bettkasten, nachts mit der Liebe im Bett. Das ist der Grund dafür, warum es mich gibt. Dann flüchten sich Ulrich und das junge Mädchen in die kleine Resistance-Gruppe. Aber ich will dich nicht mit meinen Familiengeschichten langweilen, ich komme zu dem, was dich wirklich interessiert, zu der Nacht vom 23. März 1944 in deinem Forsthaus, wo du mit Hilfe deiner siebzehn Milizionäre zwölf Mitglieder des Resistance-Netzes und sieben Juden einsperrst, die sich bei ihnen versteckt hielten. Die Anzahl ist egal, sie ist dir schnuppe, du bist zufrieden mit dir. Du fesselst sie, du pißt auf sie drauf, deine Freunde machen es dir nach, du bietest ihnen die Frauen an. Meine Mutter, die zu der Gruppe gehört, wie du sicher kapiert hast, gerät unter den großen Blonden, der Pierrot genannt wird. Stundenlang quält ihr sie alle, du amüsierst dich prächtig, so prächtig, daß ihr alle völlig berauscht seid und es zwei Frauen gelingt, abzuhauen – oh, ja, du Idiot, sonst wäre ich nicht hier, um es dir zu sagen. Du merkst es ein bißchen spät und beschließt, sofort zu ernsteren Dingen überzugehen. Du schaffst die übrigen in die Scheune, fesselst sie und legst Feuer.«
    Louis hat auf den Tisch geschlagen. Marc findet ihn aschgrau, gotisch und gefährlich. Aber Louis fängt sich wieder, Louis atmet. Blanchet dagegen atmet fast nicht mehr.
    »Für das junge Mädchen geht die Sache gut aus, sie haut ab, findet den Soldaten Ulrich wieder, und sie lieben sich ihr Leben lang, das freut dich hoffentlich für sie. Die andere Frau ist schon älter, deine Milizionäre erwischen sie und erledigen sie im Wald, so einfach ist das. Beweise? Willst du das sagen? Hoffst du, daß die Geschichte sich einfach so wegwischen läßt, sich mit einem Ausweiswechsel auslöschen läßt? Frag Vandoosler, ob Geschichte sich auslöschen läßt, du armes Arschloch. Ich war zwanzig, als meine Mutter mir die Sache anvertraut hat, mit all den Skizzen, die dazugehören. Hübsche Porträts mit feinen Zügen, sie konnte schon immer gut zeichnen, das konntest du nicht ahnen. Ich hätte dich unter Tausenden wiedererkannt, mein armer René. Mit ihren Skizzen und Beschreibungen habe ich im Laufe meiner Ausflüge nur sieben deiner kleinen Kameraden gefunden, aber nicht einen, der den neuen Namen des Chef-Pissers kannte. Und dann finde ich dich hier, siehst du, reg dich nicht auf, es gibt keinen Zufall. Fünfundzwanzig Jahre durchstreife ich das Land auf der Spur marodierender Mörder, bei diesem Rhythmus ist das kein Zufall mehr, das ist Erkundung, ich hätte dich irgendwann gefunden. Du wirst mir die Namen, Adressen und Eigenschaften der neun anderen geben, die mir noch fehlen, wenn sie nicht bereits gestorben sind. Doch, doch, du hast sie irgendwo, enttäusche mich nicht, vor allem, verärgere mich nicht. Auf diese Weise ist das dann endlich eine geregelte Sache, und beeil dich, ich hab noch was anderes zu tun im Leben. Und? Hast du Angst? Glaubst du, ich murks deine alten Milizionäre

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