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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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brauchen einen, der zu seinem eigenen Vorteil einen Blick auf alles hat, was sich tut.«
    »Der Bürgermeister?«
    »Chevalier ist nicht brillant, aber er ist auch keine Kanalratte. Wäre er fähig, sich zu informieren, wäre er nicht gezwungen, die Mülltonnen seiner Gegner durchsuchen zu lassen. Nein. Ich denke an diesen Abschaum von Blanchet.«
    »Er wird dir nicht den Gefallen tun, dir Informationen zu liefern.«
    »Warum nicht?«
    Louis drehte sich um. Er blieb ein paar Sekunden unbeweglich stehen, dann nahm er seine Jacke und zog sie langsam an.
    »Begleitest du mich?«
    »Wohin gehst du?« fragte Marc träge.
    »Zu Blanchet, wo sollte ich sonst hingehen?«
    Marc nahm abrupt die Flasche von seinem Auge. Er hatte einen roten Rand auf dem Lid.
    »Um diese Zeit? Spinnst du?«
    »Wir sind nicht hier, um den Schlaf dieses Kerls zu schützen. Zwei Morde reichen. In diesem Ort geht’s allmählich in Ausrottung über.«
    Louis ging ins Bad, verzichtete darauf, Bufo mitzunehmen, sammelte die Papiere auf dem Tisch ein und stopfte sie in seine Innentasche.
    »Beeil dich«, sagte Louis. »Du hast keine Wahl, denn wenn ich von Blanchet niedergestreckt werde, während du im Hotel pennst, wirst du dir bis ans Ende der Zeit das Hirn mit gespenstischen Vorwürfen zermartern, und das wird dich daran hindern, dein Mittelalter zu betreiben.«
    »Blanchet? Du verdächtigst Blanchet? Machst du das einfach so, seiner Visage nach, weil er ein Pißgesicht hat?«
    »Findest du es normal, ein Pißgesicht zu haben? Warum redest du von seiner Pisse? Weißt du irgendwas über seine Pisse?«
    »Du nervst!« rief Marc und stand auf.
    Louis stellte sich vor Marc und musterte ihn ruhig. Er stellte seinen Jackenkragen hoch, richtete ihm die Schultern auf, hob sein Kinn.
    »So ist es besser«, murmelte er. »Nimm einen gefährlichen Ausdruck an, mal sehen. Na los, nimm einen gefährlichen Ausdruck an, wir werden doch nicht die ganze Nacht damit vertrödeln!«
    Marc bereute. Er hätte im Warmen in seinem Zimmer in der Baracke in Paris und im 13. Jahrhundert bleiben sollen. Dieser merowingische Gote war verrückt. Trotzdem versuchte er, einen gefährlichen Ausdruck anzunehmen. Wäre er ein Mann gewesen, wäre es ein leichtes gewesen, und er war eben ein Mann, das traf sich gut.
    Kehlweiler schüttelte den Kopf.
    »Denk an was Mieses«, beharrte er. »Ich rede nicht vom Essen oder von Kröten, irgendwas im großen Maßstab.«
    »Das Massaker an den Albigensern durch Simon de Montfort?«
    »Meinetwegen«, erwiderte Louis seufzend. »Ja, das ist nicht schlecht, fast glaubwürdig. Denk während unseres gesamten Besuchs an diesen Simon. Und nimm den da mit«, fügte Louis hinzu und deutete auf den schlafenden Mathias, »das kann nichts schaden.«

26
    Louis klopfte mehrmals an Blanchets Tür. Marc war angespannt, kleine Muskeln bewegten sich ganz von allein in seinem Rücken. All die Einzelheiten des Albigensermassakers zogen in seinem Gedächtnis an ihm vorüber, er preßte seine Bierflasche in der Hand, einen Finger in den Flaschenhals gesteckt. Mathias hatte keine Frage gestellt, er hielt sich im Schatten, riesig, barfuß in seinen Sandalen, unbeweglich und ausgeruht. Hinter der Tür waren Geräusche zu hören. Die Tür öffnete sich einen Spalt, von einer Kette blockiert.
    »Lassen Sie uns eintreten, Blanchet«, sagte Louis. »Gaèl ist von den Felsen gestürzt worden, wir werden darüber reden.«
    »Was habe ich damit zu schaffen?« fragte Blanchet.
    »Wenn Sie Ihren Posten als Bürgermeister haben wollen, haben Sie alles Interesse daran, sich damit zu beschäftigen.«
    Feindlich, mißtrauisch, interessiert gab Blanchet die Tür frei.
    »Wenn er tot ist, verstehe ich die Dringlichkeit nicht.«
    »Gerade deswegen, er ist nicht tot. Er wird reden können, wenn er aus dem Schlamm rauskommt. Sehen Sie das Problem?«
    »Nein. Ich habe damit nichts zu tun.«
    »Können wir irgendwo anders hingehen? Wir werden nicht die ganze Nacht hier im Eingang stehenbleiben. Er ist häßlich, der Eingang.«
    Blanchet schüttelte den Kopf. Er spielte den Gutmütigen, so wie vorhin, schlecht gelaunt, aber im Grunde ein anständiger Kerl. Marc dachte, daß Mathias’ Statur und Louis’ gotischer Blick mit an seinem Einlenken beteiligt waren. Blanchet führte sie in ein kleines Arbeitszimmer, deutete auf Stühle und setzte sich hinter einen Schreibtisch mit vergoldeten Füßen.
    Louis setzte sich ihm gegenüber, die Arme verschränkt und seine langen Beine

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