Das Osterman-Wochenende - Ludlum, R: Osterman-Wochenende
aus denen, wenn man sie zusammenrechnete, echte Besorgtheit wurde. Nach so vielen Ehejahren war das nicht schlecht.
Vielleicht war ihr Mann nicht so schnell und nicht so dramatisch wie Dick Tremayne oder so spürbar mächtig wie Joe Cardone oder so witzig und clever wie Bernie Osterman, aber sie hätte um nichts in der Welt mit Ginny, Betty oder Leila
tauschen wollen. Selbst wenn alles noch einmal von vorne beginnen würde, würde sie auf John Tanner warten. Er war eine seltene Art Mann. Er wollte teilen, mußte teilen. Alles. Keiner der anderen war so. Nicht einmal Bernie, obwohl er John am ähnlichsten war. Selbst Bernie hatte seine Geheimnisse, die er für sich behielt, so sagte Leila wenigstens.
Am Anfang hatte sich Alice gefragt, ob das Bedürfnis ihres Mannes, alles zu teilen, nur die Folge des Mitleids war, das er für sie empfand. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens, ehe sie John Tanner begegnet war, auf der Flucht oder auf der Suche nach einem Zufluchtsort verbracht. Ihr Vater, ein Mensch, der stets darum bemüht war, all die Unbilden der Welt ins rechte Lot zu setzen, hatte nie lang an einem Ort bleiben können.
Ein zeitgenössischer John Brown.
Die Zeitungen hatten ihn am Ende als einen – Verrückten bezeichnet.
Und ganz am Ende hatte ihn die Polizei von Los Angeles getötet.
Sie erinnerte sich noch an die Worte.
Los Angeles, 10. Februar 1945.
Jason McCall, von dem die Behörden annehmen,
daß er im Sold der Kommunisten stand, wurde
heute außerhalb seines Hauptquartiers im Canyon
erschossen, als er herauskam und mit etwas
herumfuchtelte, das wie eine Waffe aussah.
Die Polizei von Los Angeles und Agenten des
Federal Bureau of Investigation machten McCalls
Aufenthaltsort nach umfänglichen
Suchoperationen ausfindig ...
Die Polizei von Los Angeles und die Agenten des FBI hatten sich freilich nicht die Mühe gemacht festzustellen, daß Jason McCalls Waffe ein verbogenes Stück Metall war, das er seine >Pflugschar< nannte.
Zum Glück war Alice bei einer Tante in Pasadena gewesen, als man ihren Vater erschossen hatte. Sie hatte den jungen Studenten der Journalistik, John Tanner, bei der öffentlichen Untersuchung nach dem Tode ihres Vaters kennengelernt. Die Behörden von Los Angeles wollten, daß die Untersuchung öffentlich durchgeführt wurde. Sie wollten keinen Märtyrer schaffen. Sie wollten klarstellen, daß der Tod McCalls unter gar keinen Umständen Mord gewesen war.
Was er natürlich war.
Der junge Journalist, der gerade aus dem Krieg zurückgekehrt war, wußte das und bezeichnete es auch so. Und obwohl seine Geschichte der Familie McCall keinen Nutzen brachte, brachte es ihn dem traurigen, verwirrten Mädchen näher, das dann später seine Frau wurde.
Alice hörte zu denken auf und drehte sich im Bett herum. Das alles gehörte der Vergangenheit an. Sie war jetzt, wo sie sein wollte.
Einige Minuten später hörte sie unten in der Halle fremde Männerstimmen. Sie wollte sich aufsetzen, als die Tür sich öffnete und ihr Mann hereinkam. Er lächelte, beugte sich über sie und küßte sie leicht auf die Stirn. Sie spürte trotz all seiner Beiläufigkeit, daß irgend etwas an ihm angespannt war.
»Wer ist denn unten?« fragte sie.
»Die Fernsehleute. Sie schließen die Geräte wieder an, aber die Antenne ist irgendwie beschädigt. Sie müssen den Fehler suchen.«
»Also muß ich aufstehen.«
»Ja. Ich kann ja schließlich nicht riskieren, daß du dich zwei gut gebauten Männern in Overalls im Bett zeigst.«
»Du hast auch einmal einen Overall getragen. Erinnerst du dich noch? In deinem letzten Semester hattest du den Job an der Tankstelle.«
»Ich erinnere mich auch noch, wie schnell ich die Overalls los war, wenn ich nach Hause kam. So, und jetzt aufstehen! «
Er war wirklich angespannt, dachte sie; er bemühte sich, die Situation und sich selbst unter Kontrolle zu bekommen. Er erklärte, daß er trotz der vielen Arbeit, die er donnerstags immer hatte, an diesem speziellen Donnerstag zu Hause bleiben würde.
Seine Erklärung war ganz einfach. Nach dem, was gestern nachmittag geschehen war, würde er trotz der noch andauernden polizeilichen Untersuchung seine Familie nicht alleine lassen. So lange nicht, bis alles aufgeklärt war.
Er fuhr mit ihnen in den Club, wo er und Ali mit ihren Nachbarn, Dorothy und Tom Scanlan, ein Doppel spielten. Man sagte Tom nach, er wäre so reich, daß er schon zehn Jahre nicht mehr gearbeitet hätte.
Ali fiel auf, wie entschlossen
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