Das Osterman-Wochenende - Ludlum, R: Osterman-Wochenende
betrachtete sie beide aus dem Hause: Bernie in einem Palm-Beach-Jackett von teuerem Schnitt und hellblauen Hosen, Leila in einem weißen Kostüm mit einer Goldkette um die Hüften. Der Rock endete ein gutes Stück über den Knien, ein breitkrempiger, weicher Hut bedeckte ihre linke Gesichtsseite. Sie war das fleischgewordene Symbol kalifornischen Erfolgs. Und doch war an Bernie und Leila irgendeine Spur des Künstlichen; es war erst knapp neun Jahre her, daß sie wirklich zu Geld gekommen waren.
Oder war ihr Erfolg selbst nur eine Fassade, fragte sich Tanner, als er zusah, wie die beiden sich herunter beugten, um seine Tochter zu umarmen. Waren sie statt dessen all die Jahre Bewohner einer Welt gewesen, in der Drehbücher und Aufnahmetermine nur von sekundärer Bedeutung waren – eine Tarnung, wie Fassett vielleicht sagen würde?
Tanner sah auf die Uhr. Es war zwei Minuten nach sechs. Die Ostermans hatten sich verfrüht – nach ihrem ursprünglichen Plan. Vielleicht war das ihr erster Fehler. Oder sie rechneten vielleicht gar nicht damit, daß er da war. Er pflegte das Woodward-Studio früher zu verlassen, wenn die Ostermans
kamen, aber nicht immer so früh, daß er schon um halb sechs zu Hause war. In Leilas Brief hatte ganz deutlich gestanden, daß ihr Flug aus Los Angeles in Kennedy eintreffen würde. Eine verspätete Maschine war verständlich, normal. Ein Flug, der zu früh eintraf, war unwahrscheinlich.
Sie würden das erklären müssen. Aber würden sie sich die Mühe machen?
»Jonny! Um Himmels willen! Ich hab’ mir doch gedacht, daß ich den Hund gehört habe. Das sind Bernie und Leila. Was stehst du denn so herum?« Ali war aus der Küche gekommen.
»Oh, tut mir leid ... Ich wollte nur, daß Janet sie einen Augenblick lang allein begrüßen kann.«
»Geh schon hinaus. Ich will nur noch die Uhr stellen.«
Seine Frau ging wieder in die Küche, während Tanner auf die Haustüre zuging. Er starrte den Messingknopf an und fühlte sich so, wie ein Schauspieler sich vielleicht fühlt, ehe er zum erstenmal in einer schwierigen Rolle auftritt. Unsicher – völlig unsicher –, wie man ihn aufnehmen wird.
Er befeuchtete sich die Lippen und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Dann drehte er den Kopf und zog die Tür schnell nach innen. Mit der anderen Hand schob er den Riegel der Gittertüre in ihrem Aluminiumrahmen zurück und trat hinaus.
Das Osterman-Weekend hatte begonnen.
»Willkommen, ihr Drehbuchschmierer!« rief er und grinste breit. Das war seine übliche Begrüßung; Bernie empfand sie als höchst schmeichelhaft.
»Jonny!«
»Tag, Darling!«
Aus dreißig Metern Entfernung erwiderten sie seinen Gruß und lächelten ihr breites Lächeln. Und doch konnte John Tanner selbst auf dreißig Meter Entfernung ihre Augen
sehen, die nicht lächelten. Seine Augen suchten die seinen – kurz, aber unverkennbar. Den Bruchteil einer Sekunde lang hörte Bernie sogar zu lächeln auf, im nächsten Augenblick war es vorüber. Es war, als gäbe es eine wortlose Übereinkunft zwischen ihnen, den unausgesprochenen Gedanken nicht nachzugehen.
»Johnny, prima, dich wieder mal zu sehen!« Leila rannte über den Rasen.
John Tanner und Leila umarmten sich, und er ertappte sich dabei, wie er mit mehr Zuneigung auf sie reagierte, als er für möglich gehalten hätte. Er wußte, weshalb das so war. Er hatte den ersten Test bestanden, die ersten Sekunden des Osterman-Weekends. Langsam begann er zu begreifen, daß Laurence Fassett vielleicht trotz alledem recht hatte. Vielleicht würde er es schaffen.
Tun Sie, was Sie ganz normal tun würden; verhalten Sie sich so, wie Sie sich normalerweise verhalten. Denken Sie an nichts anderes.
»John, prima siehst du aus, wirklich prima!«
»Wo ist Ali denn, Süßer?« fragte Leila und trat zur Seite, damit Bernie seine langen, dünnen Arme um Tanner legen konnte.
»Drinnen. Das Essen. Kommt herein! Da, ich nehm’ den Koffer. Nein, Janet, Honey, du kannst Onkel Bernies Koffer nicht tragen.«
»Ich wüßte nicht, warum sie das nicht könnte«, lachte Bernie. »Es sind doch bloß Handtücher aus dem Plaza drin.«
»Dem Plaza?« fragte Tanner unwillkürlich. »Ich dachte, euer Flugzeug wäre gerade angekommen.«
Osterman sah ihn an. »Mm-mm. Wir sind schon vor zwei Tagen angekommen. Ich erzähl’s dir später...
Auf eine seltsame Art war es wie in alten Zeiten, und Tanner wunderte sich, daß er das einfach akzeptierte. Da war immer noch das Gefühl der
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