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Das Paradies am Fluss

Das Paradies am Fluss

Titel: Das Paradies am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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erleben. Sie will Jess auch die alten Fotos zeigen und all das. Ich bin mir sicher, dass ihr das guttut. Hör mal, wir sollten lieber in die Gänge kommen, sonst fragen die beiden sich noch, wo wir bleiben.«
    Er nimmt das Holztablett und geht hinaus. Sophie belädt das zweite Tablett: ein Laib frisches Brot, Käse und Butter, Leberpastete. Sie wäscht ein paar Kirschtomaten ab und überlegt dabei, wie typisch es für Johnnie ist, dass er es seiner Mutter überhaupt nicht verübelt, dass in der Vergangenheit, wie Rowena sie darstellt, kein Platz für ihn ist. Wenn Rowena über das Vergangene spricht, dann nicht über seine oder Freddys Heldentaten; in Rowenas Erinnerung existiert nur ein goldenes Zeitalter.
    »Du musst eines bedenken«, hat er einmal, vor langer Zeit, zu Sophie gesagt, als sie sich an seiner Stelle aufgeregt hatte, »Mutter und Al waren einander sehr ähnlich. Sie waren aus demselben Holz geschnitzt. Ich glaube, sie konnte ungezwungen mit ihm umgehen, weil sie ihn nicht verletzen konnte. Er war hart im Nehmen und selbstbewusst, und egal, was passierte, er war ein Stehaufmännchen. Genau wie sie selbst. Empfindsame, bedürftige Menschen irritieren sie. Sie kann es nicht ertragen, die Wunden, die sie anderen zufügt, anzusehen, und sie besitzt einfach nicht genug Geduld, um freundlich und fürsorglich zu sein. Sie hat immer gesagt, für sie sei die schlimmste Eigenschaft, die jemand haben kann, das Bedürfnis, geliebt zu werden.«
    Sophie war klar, dass er über ihre Parteinahme gerührt, aber auch leicht belustigt war. Bald wurde ihr klar, dass Johnnie auf seine eigene Art genauso hart war wie seine Mutter. Er brachte das fertig, ohne Menschen zu verärgern oder vor den Kopf zu stoßen, doch er ließ sich auch nicht die Butter vom Brot nehmen. Trotzdem besitzt Johnnie, wie sein Vater vor ihm, eine tief verwurzelte Freundlichkeit und einen großzügigen Geist, beides Eigenschaften, die Rowena fehlen.
    »Und schließlich«, sagte Freddy, als sie mit ihm darüber sprach, »ist Johnnie noch hier, oder? Und seine Kinder und Kindeskinder, und alle können sich an diesem herrlichen Anwesen erfreuen. Am Ende hat der arme alte Al doch nicht gewonnen, nicht wahr?«
    Bei dem Gedanken an Freddy erinnert sie sich daran, dass sie ihn anrufen und ebenfalls einladen muss, wenn Tom und Cass Wivenhoe, die Mortlakes und Kate Porteous zu der großen Wiedersehensfeier kommen, die Rowena plant. Sie braucht noch zwei Tischherren, und Freddy wird Jess auch kennenlernen wollen. Außerdem wird es gut sein, ihn dabeizuhaben; er ist immer so ein witziger Gesellschafter.
    Sie nimmt das Tablett und trägt es hinaus in den Seegarten.
    Die Türen des Sommerpavillons sind geöffnet und lassen den Sonnenschein herein, und Johnnie hat sein Tablett bereits abgeräumt. Er hat einen stoffbezogenen Klappstuhl für seine Mutter nach draußen in die Sonne gestellt, und Jess trägt gerade noch einen hinaus.
    Rowena stützt sich auf ihren Stock und sieht ihnen zu. Sie setzt sich noch nicht, ganz einfach, weil sie weiß, dass Johnnie nervös darauf wartet.
    Als wäre ich zu alt, denkt sie verärgert, um länger als fünf Minuten aufrecht zu stehen.
    Sie wendet den Blick ab und sieht über den Fluss nach Cargreen, aber Jess’ Gesicht schiebt sich vor die Granitmauern der Cottages und des Pubs. Wirklich, es ist, als wäre Juliet zu ihnen zurückgekehrt, und Rowenas Herz verzehrt sich nach Al. Wie sehr sie sich wünscht, nur noch einmal zu sehen, wie er mit seinem lässigen, lasziven Gang und seinem listigen Lächeln auf sie zuschlendert! Ihre Sehnsucht ist so groß, dass sie Johnnie anfaucht, als er sie sanft am Ellbogen berührt und fragt: »Willst du dich nicht setzen, Mutter?«
    »Mach nicht so ein Theater!« Sie reißt ihren Arm weg und stürzt beinahe.
    Rasch dreht sie sich um und hofft, dass Jess ihren Ausbruch nicht bemerkt hat, aber das Mädchen ist bei Sophie im Sommerpavillon und stellt das Essen auf dem Tisch bereit.
    »Sind Sie hungrig, Rowena?«, ruft Sophie, was ihr Gelegenheit gibt, zu den beiden hinüberzugehen. Sie hat keinen Hunger, doch sie wird tun als ob und etwas essen. Jess lächelt sie so reizend an, dass sie am liebsten die Hand des Mädchens berühren und dieses lange, rotbraune Haar streicheln würde. Wie anziehend sie ist! Kein Wunder, dass alle jungen Männer sich in sie verlieben! Einen Moment lang ist Rowena verwirrt und sieht sich nach den Jungs um. Nach Al und Mike und Stephen. Und dann fällt ihr wieder ein,

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