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Das Paradies am Fluss

Das Paradies am Fluss

Titel: Das Paradies am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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zerdrückt, ihr Haar aufgelöst. Al vergräbt das Gesicht an ihrem Hals, aber sie hat ihr Gesicht von ihm abgewendet und die Hände auf seine Schultern gelegt.
    »Hör mir zu!«, sagt sie jetzt, immer noch in diesem verzweifelten Flüsterton. »Bitte hör mich einfach an! Ich bin schwanger, Al. Um Gottes willen, hör mir zu …«
    Und jetzt, während das Wochenende verstreicht, wartet Rowena. Sie beobachtet Jess und Will, wie sie in seinem kleinen Boot segeln und beim Mittagessen im Seegarten miteinander scherzen. Sie sieht aus dem Fenster, und da sitzt der Junge mit dem Rücken zur Circe auf der Balustrade und erklärt Jess wild gestikulierend etwas; Jess lehnt neben ihm und hört zu. Popps ist bei ihnen und spielt mit einem alten Tennisball, dessen gelbe Hülle zerbissen und abgerissen ist und die Farbe verloren hat. Die kleine Terrier-Hündin packt ihn mit den Zähnen und wirft ihn in die Luft, als wäre er eine Ratte. Plötzlich springt Will von der Balustrade, schnappt sich den Ball und rennt, Popps auf den Fersen, über den Rasen. Jess dreht sich um, um die beiden zu beobachten, und stützt die Ellbogen auf die Balustrade. Sie lacht, während der Junge und der Hund ihre Runden durch den Seegarten drehen.
    Jess sieht Juliet so ähnlich, dass Rowena halb damit rechnet, dass Al und Mike über das Gras auf sie zugehen. Ihr Herz hämmert unangenehm schnell, und sie lehnt sich zurück, atmet tief und zwingt sich mit purer Willenskraft zur Ruhe. Jetzt ist nicht die Zeit für einen ihrer lästigen kleinen Anfälle. Sie muss bereit sein, stark. Nach dem Tee werden Sophie oder Johnnie Will zurück zur Schule fahren, und dann muss sie entscheiden, ob sie Jess die Fotos zeigt. Ein Teil von ihr sehnt sich so heftig danach, dass ihr beinahe übel davon wird; doch ein anderer Teil zögert, schreckt davor zurück und fürchtet sich vor einer schrecklichen Enttäuschung.
    Aber sie spürt, dass Jess’ Bereitschaft, sich hier zu Hause zu fühlen, eine Bedeutung hat, ihr lockerer Umgang mit Johnnie und jetzt mit Will. Sie gehört schon jetzt zur Familie. Die Lebensfreude des Mädchens wirkt so ansteckend, dass auch sie, Rowena, sich wieder jung fühlt, und die Geister der Vergangenheit scharen sich um sie: Offiziere mit ihren Mädchen, Juliet und Mike – und Al. Wenn sie die Augen schließt, kann sie ihn sehen: dunkelbraune Augen, schwarzes Haar, stark und athletisch. Dickie, Johnnie und Will haben die gleichen Gene; sie sind blond, haben blaugrüne Augen und sind nicht viel größer als der Durchschnitt. Al und sie waren gleich. Sie lachten zusammen über dieselben Witze, und er hat sie ermuntert, sich unerhört zu benehmen, ihr ins Ohr geflüstert und sie angestachelt.
    Ihre Augen sind immer noch geschlossen. Sie lächelt, denn sie spürt, dass er in ihrer Nähe ist.
    »Mutter«, sagt er. »Mutter …« Und sie fühlt seinen Atem auf ihrer Wange, als er ihren Arm berührt.
    Sie keucht, reißt die Augen auf und schlägt die Faust vor den Mund. Johnnie beugt sich besorgt über sie.
    »Mutter«, wiederholt er nervös. »Du hast geschlafen. Tut mir leid, dich wecken zu müssen, aber der Tee ist fertig, und wir müssen Will zurückfahren. Geht es dir gut?«
    »Natürlich«, versetzt sie ärgerlich. Immer noch hämmert das Herz in ihrer Seite, und sie ist wütend über seine alberne besorgte Miene und grollt ihm, weil er nicht Al ist. »Und ich habe nicht geschlafen. Was schleichst du überhaupt hier herum? Was? Warte, ich habe meine Hörgeräte nicht an.«
    Ungeduldig tastet sie auf dem Tisch nach den kleinen Geräten und faucht Johnnie noch einmal an, als er ihr zu helfen versucht. Sie fühlt sich krank, weigert sich aber, sich etwas anmerken zu lassen. Daher geht sie mit ihm hinunter, um Tee mit ihrem Urenkel zu trinken, bevor er zur Schule zurückfährt.
    »Jess kommt mit uns«, erklärt Will ihr fröhlich. »Ich zeige ihr meinen Schlafsaal.«
    Sie lächelt ihm – und Jess – zu, und ihr Herz schmerzt vor Hoffnung … und Enttäuschung. Dann muss sie die Sitzung mit den Fotos doch verschieben. »Das ist sehr nett«, sagt sie zu ihm; sie mag den kleinen Burschen sehr gern. »Weich gekochte Eier«, erklärt sie Jess. »Das ist Tradition. Die Jungs haben am Ende eines Ausgangs immer weich gekochte Eier und Toaststreifen bekommen, und jetzt bekommt Will sie auch von uns.«
    »Das war bei mir genauso«, sagt Jess. »Muss wohl in meiner Familie ebenfalls Tradition gewesen sein.«
    »Und«, setzt Will wieder an und geht vor in die

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