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Das Paradies am Fluss

Das Paradies am Fluss

Titel: Das Paradies am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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und lächeln einfach in die Kamera. Und dieses Mal ist der Schock noch größer. Mike erkennt sie nach dem Hochzeitsfoto sofort wieder, aber ein anderes Gesicht – eines, das ihr zutiefst vertraut ist – fasziniert sie. Ein sechster Sinn warnt sie davor, dass Rowena genau darauf wartet; auf diesen Moment hat sie hingesteuert. Jess blickt auf und nimmt die Anspannung und Ungeduld der Älteren wahr; dennoch kann sie ihr eigenes Erschrecken nicht überspielen.
    »Wer ist das?«, fragt sie mit schwacher Stimme, legt das Foto auf den Tisch und zeigt auf eines der jungen Gesichter.
    Rowena holt tief, ganz tief Luft. Ihr ganzer Körper entspannt sich, und sie kann ihre Freude nicht verhehlen. »Das ist Al«, erklärt sie. »Mein Sohn.« Ihr Herz hämmert so schnell, dass sie kaum atmen kann, und sie lehnt sich, nach Luft ringend, auf ihrem Stuhl zurück.
    Jess springt auf, rennt zur Tür und ruft nach Sophie, nach Johnnie.
    Sie kommen herbeigelaufen, beugen sich über Rowena, suchen nach ihrem Medikament. Im Schutz dieser hektischen Aktivitäten nimmt Jess die letzten zwei Fotos und steckt sie unter das Silbertablett auf der Anrichte. Rasch schiebt sie dann die anderen Bilder zusammen, sodass sie durcheinandergeraten, räumt einen Teil in große braune Umschläge und Ordner und lässt andere in Stapeln liegen. Dann tritt sie zurück, wartet und beißt sich auf die Lippen.
    »Geht es ihr gut?«, fragt sie ängstlich.
    Rowena hat sich auf dem Stuhl ausgestreckt und wartet darauf, dass die Wirkung des Medikaments eintritt – doch selbst in ihrer Erschöpfung wirkt sie triumphierend, als hätte sie sich etwas Wichtiges bewiesen.
    »Wir müssen sie ins Bett bringen«, sagt Sophie zu Johnnie.
    »Lass ihr noch einen Moment Zeit!«, antwortet er.
    Schließlich helfen die beiden Rowena zu dem kleinen Aufzug, der in eine ehemalige Vorratskammer eingebaut ist. Sophie kauert sich neben sie, und der Lift trägt die beiden ins obere Stockwerk. Johnnie rennt die Treppe hinauf und erwartet sie auf dem Absatz.
    Jess wartet an der Tür des Morgensalons. Sobald er nicht mehr zu sehen ist, zieht sie die Fotos unter dem Silbertablett hervor. Rasch läuft sie durch den hinteren Flur nach draußen, rennt über die Wiese, weicht dem Buschwerk aus und erreicht die alte Segelwerkstatt. In ihrem Schlafzimmer holt sie ihren Rucksack unter dem Bett hervor und hält erst dann inne, um eines der Fotos noch einmal anzusehen. Eingehend inspiziert sie es: Die Ähnlichkeit mit ihrem Vater ist an der Kinnhaltung zu erkennen, der Stellung seiner Augen – und dem Lächeln, ganz besonders dem Lächeln. Tränen treten ihr in die Augen, als sie in das junge, glückliche Gesicht sieht. Die Ähnlichkeit mit dem Mann, an den sie sich erinnert, ist überwältigend, und doch ist das Bild über zwanzig Jahre vor seiner Geburt aufgenommen. Schnell stopft sie beide Fotos in ihren Rucksack und eilt zurück ins Haus, bevor sie vermisst wird.

Tavistock
    »Die Wiedersehensfeier ist verschoben«, sagt Tom, als er Cass in dem kleinen Wäscheraum, wo sie bügelt, aufgespürt hat. »Das war Johnnie am Telefon. Lady T. hatte noch einen schlimmen Herzanfall, und der Arzt hat ihr Bettruhe verordnet.«
    »Die Arme!« Cass stellt das Bügeleisen ab und legt sorgfältig eines von Olivers Hemden zusammen. »In ihrem Alter darf man das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ist Jess noch bei ihnen?«
    Tom nickt und versucht, seinen aufsteigenden Ärger zu dämpfen: Warum bügelt Cass eigentlich Olivers Hemden? Wieso kann er das nicht selbst erledigen?
    »Ich habe absolut nichts dagegen, für Oliver zu bügeln«, erklärt Cass, die Toms Stirnrunzeln richtig deutet. »Er fährt Gemma nach South Brent, damit sie ein paar Tage bei Debbie Plummer verbringen kann. Erinnerst du dich an Debbie? Eine Kollegin aus der Zahnarztpraxis. Gemma hat sie vorhin angerufen, um mit ihr zu plaudern, und Debbie hat sie eingeladen. Es ist schön für Gemma, dass sie sich mit der lieben Debbie trifft, und nachdem die Zwillinge jetzt am Mount House mit der Schule begonnen haben, ist es gut für uns alle, etwas Luft zum Atmen zu bekommen. Ist die Party denn auf unbestimmte Zeit verschoben, oder gibt es einen neuen Termin?«
    »Noch nicht. Sie warten noch ab, wie es Lady T. geht. Dann hat sie immer noch nichts von Guy gehört?«
    Cass nimmt ein neues Hemd zur Hand, dieses Mal eines von Tom. »Wenn, dann sagt Gemma mir nichts. Ich glaube, deswegen war sie so froh über diesen Ausflug. Seitdem die Zwillinge im

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