Das Paradies am Fluss
Wohnzimmer. Sie denkt jetzt an Gemma und Guy und die Zwillinge, an Cass und Tom, an Bruno. Was für verschiedene Arten von Liebe es doch gibt: die Liebe zu seinen Kindern, zu Freunden, zu einem Mann. Sie hat ihr Herz unter ihnen aufgeteilt, und sie sehnt sich nach einer Lösung, die den Bedürfnissen aller und auch ihren eigenen gerecht wird.
Die Gefahr ist doch die, denkt sie. Wenn wir lieben, verlangen wir zu viel. Wir werden besitzergreifend, weil unser Herz nach der vollkommenen Liebe sucht. Vielleicht ist kein menschliches Wesen dazu in der Lage, sondern nur Gott, aber trotzdem sehnen wir uns danach … und ihr kommen die Worte des heiligen Augustinus von Hippo in den Sinn: »Du hast uns auf dich hin geschaffen, oh Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.«
Echte Intimität, wird ihr klar, erfordert sowohl Nähe als auch Distanz … genau wie beim Tanzen. Aber wie schwer es uns fällt zu erkennen, wann wir uns annähern und wann wir uns zurückziehen müssen! Manchmal dringen wir in den Raum des anderen ein und werden zu bedürftig; und manchmal bleiben wir auf Abstand, fürchten uns davor, Forderungen zu stellen, und erwecken den Eindruck, dass wir uns nicht binden wollen.
Bruno und ich versuchen ständig zu erraten, was der andere denkt, überlegt Kate. Sehr gefährlich. Insgeheim stelle ich ihn immer wieder auf die Probe, doch da er die Fragen nicht kennt, kann er den Test nicht bestehen, oder? Wahrscheinlich tut er umgekehrt dasselbe.
Sie ist froh, dass sie die Entscheidung getroffen hat, nach St. Meriadoc zu fahren und die Initiative zu ergreifen, statt zu warten, immer nur darauf zu warten, ob Jess, Gemma oder Cass sie brauchen. Sie hat Bruno angerufen, um ihm Bescheid zu geben – nötig wäre das nicht gewesen, aber sie wollte es – und ihn geradeheraus zu fragen, ob sie zum Abendessen kommen soll.
»Dann«, sagte sie, »brauche ich mir keine Gedanken darüber zu machen, noch groß einkaufen zu gehen. Ein paar Grundnahrungsmittel habe ich schon noch …«
Und er hat sich so gefreut.
»Ich habe ein Cassoulet auf dem Herd«, erklärte er. »Großartig. Willst du zuerst noch ins Cottage? Gut. Komm einfach herüber, sobald du so weit bist!«
Ach, die törichte Erleichterung, die kindliche Freude über seine Reaktion!
Ich frage mich, denkt Kate, ob ich je erwachsen werde.
Ein Letztes muss sie noch erledigen. Sie wird Oliver anrufen, und dann ist sie frei und kann fahren.
Im Pub von Cornwood isst Oliver ein Sandwich und trinkt ein Bier, und dann lenkt er den Wagen ins Moor hinauf. Er fährt ziemlich langsam, hört seine Norma-Winstone-CD und hält für eine Reihe Pferde an, die mit klappernden Hufen von der Tinpark-Reitschule kommen, elegant an der Straße entlangtrappeln und dann in Richtung Ridding Down verschwinden. Der letzte Reiter, der geduldig hinter den anderen herzockelt, hebt grüßend die Hand. An der Cadover-Brücke wirft eine Frau für zwei Labradore einen Ball in den Fluss, und die Hunde stürzen ihm nach, springen und spritzen im Wasser, und ihr glattes, schwarzes Fell schimmert in der Sonne. Als er nach Lynch Common kommt, fährt er an den Straßenrand, um auf sein Handy zu sehen. Auf der Mailbox findet er eine Nachricht von Kate.
»Ich fahre ein paar Tage nach St. Meriadoc hinunter«, sagt sie. »Ich bin nervös, und ich wollte ohnehin ein paar Sachen holen. Ich hatte überlegt, ob du vielleicht im Cottage wohnen möchtest, solange ich weg bin. Etwas Abstand könnte uns allen guttun, und vielleicht brauchst du gerade auch ein Schlupfloch. Gib mir Bescheid! Cass hat den Zweitschlüssel für Notfälle.«
Er sitzt in der warmen Novembersonne, schaut über den Burrator-Stausee in Richtung Sheepstor und denkt darüber nach. Sein Instinkt sagt ihm, dass in Kürze etwas Entscheidendes zwischen Guy und Gemma passieren wird, und dabei muss er in erreichbarer Nähe sein. Gleichzeitig ist die Aussicht verlockend, seinen Eltern eine Weile zu entrinnen. Er drückt ein paar Knöpfe, und Kate meldet sich sofort.
»Ich bin auf dem Rückweg«, sagt er. »Habe gerade deine Nachricht gehört. Ich finde die Idee sehr gut. Danke.«
»Oh, fein! Ich habe hin und her überlegt, ob ich bleiben soll, aber ich glaube, wir gehen einander alle auf die Nerven, und das scheint eine ideale Gelegenheit zu sein. Cass und Tom werden doch nichts dagegen haben, dass du herkommst, oder?«
Er lacht. »Ich glaube, sie werden hocherfreut sein. Das ist genau der richtige Zeitpunkt. Danke,
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