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Das Paradies am Fluss

Das Paradies am Fluss

Titel: Das Paradies am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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und Mike.« Mit einem Mal lässt sie seine Hand los und wendet den Kopf der Tür zu. Sie horcht aufmerksam, als erwartete sie jemanden. »Juliet ist zurück«, bemerkt sie leise und legt einen Finger an die faltigen, eingesunkenen Lippen. »Kommt Al auch?«
    Oliver wirft Sophie einen verstohlenen Blick zu, und sie beißt sich auf die Lippen und schüttelt kaum wahrnehmbar den Kopf.
    »Noch nicht«, antwortet sie. »Kommen Sie, Rowena! Zeit für Ihre Medizin. Oliver muss gehen.«
    Dankbar steht er auf, und die alte Frau starrt zu ihm hoch.
    »Auf Wiedersehen«, sagt er. Er weiß nicht recht, wie er sich verabschieden soll, doch Sophie schiebt ihn sanft davon, und er tritt auf den Treppenabsatz, bleibt am Fenster stehen und stößt einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Rowenas Verwirrung und Heftigkeit, ihre Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit haben ihn erschüttert. Er erinnert sich an ihr Lachen und daran, wie er plötzlich einen Blick auf eine junge, vitale, attraktive Frau erhascht hat. Wie schrecklich für jemanden mit einer solchen Persönlichkeit, alt zu werden, auf andere angewiesen und hilflos zu sein!
    Sophie kommt aus dem Zimmer, schließt die Tür und tritt über den Treppenabsatz zu ihm ans Fenster. Er zieht sie an sich, schließt sie in die Arme und küsst sie. Sie reagiert bereitwillig, gefühlvoll, doch als sie sich voneinander lösen, sieht sie fragend und mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihm auf.
    »Einfach, weil wir jung und stark sind und es können«, antwortet er, und dann gehen sie zusammen hinunter. Er hat immer noch den Arm um sie gelegt und drückt sie an sich.
    Sie sitzen zusammen am Küchentisch, die Kaffeekanne zwischen sich.
    »Ich hasse es, sie so zu sehen«, sagt Sophie. »Sie ist gar nicht sie selbst.«
    »Ein bisschen merkwürdig, diese Sache mit Juliet, oder?«
    »Jess soll ihrer Großmutter wie aus dem Gesicht geschnitten sein, und ich glaube, das hat Rowena vollkommen aus der Bahn geworfen.«
    »Meinen alten Pa hat die Ähnlichkeit auch mächtig beeindruckt. Und was ist mit Al?«
    »Jess hat all die alten Erinnerungen wiedererweckt. Ich glaube, in ihrem verwirrten Zustand glaubt Rowena, dass Al vielleicht auch zurückkehrt, nachdem Juliet wiedergekommen ist.«
    Oliver denkt an Jess und das Foto.
    »Da war also diese kleine Gruppe von Freunden«, sagt er mit Bedacht. »Mein Vater war Johnnies Freund und Mike der von Al. Was war das mit Freddy? Ist das der Freddy, den ich vorhin kennengelernt habe?«
    Sophie nickt und birgt ihren Kaffeebecher in beiden Händen. »Johnnie und Freddy waren die Jüngeren. Al und Mike die Alphamännchen. Es gab noch ein paar andere junge Männer. Sie haben alle gemeinsam die Marineakademie in Dartmouth besucht. Dein Vater hat auch zu ihnen gehört, stimmt’s?«
    »Ja. Al und Mike waren ein paar Jahre älter als die anderen, aber anscheinend waren sie alle oft zusammen. Ich hatte mich nur gefragt, wer die anderen waren.«
    Neugierig sieht sie ihn an. »Warum?«
    Er denkt an das Versprechen, das er Jess gegeben hat, und zuckt mit den Schultern. »Ach, ich versuche nur, mir ein Gesamtbild zu machen.«
    Sophie setzt ihre Tasse ab. »Ich habe das Gefühl, dass da etwas im Busch ist. Es hat angefangen, als Rowena erfahren hat, dass Jess zu Besuch kommen würde. Sie begann, all diese Fotos hervorzuholen.«
    »Fotos?«
    »Sie hat Hunderte davon. Wir hatten vor einer Weile angefangen, sie zu sortieren, als Johnnie begann, die Geschichte seiner Familie zu schreiben; über seine Vorfahren, die Kaufleute waren, und die Segelschiffe, die den Fluss bis hierher heraufgefahren sind. Und dann war sein Großvater ein begeisterter Segler. Er hat am America Cup teilgenommen und besaß einige erstaunliche Boote. Eines davon war die Alice , die 1908 extra für ihn gebaut wurde. Also haben wir die Fotos für das Buch aussortiert, und dann hat Rowena eine Sammlung von Familienbildern angelegt. Als sie erfuhr, dass Jess kommen würde, wurde sie ganz aufgeregt und hat sie alle im Morgensalon ausgelegt. Sie wollte Jess zeigen, wie es bei uns in den Sechzigern aussah, als ihre Großeltern hier jung waren. Im Seegarten fanden Partys statt, die Männer kamen in Uniform, und die Mädchen trugen Ballkleider.«
    »Und deswegen hast du dir Sorgen gemacht?«
    Sophie runzelt die Stirn. »Rowena hat sich derart hineingesteigert. Ich habe nicht wirklich begriffen, warum sie so heftig auf dieses Mädchen reagiert hat. Ja, sicher ist es nett, die Enkelin einer alten Freundin zu treffen

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