Das Paradies auf Erden
der oberflächlich gefroren war. Thomas begann locker zu erzählen - von seiner Arbeit, seinem Londoner Haus, seiner Familie und seinen Freunden. “Ich hoffe, du magst sie”, meinte er.
“Die meisten sind verheiratet. “
“Hattest du Freundinnen?” fragte Claudia. “Ich bin nicht neugierig, aber falls ich einer von ihnen begegne, muss ich doch Bescheid wissen.”
Thomas zögerte nicht mit der Antwort. “Natürlich habe ich Frauenbekanntschaften gehabt, aber mehr ist es nie gewesen, Claudia.”
“Hat dich meine Frage gekränkt? Ich möchte dich nicht aushorchen… nur auf alles vorbereitet sein. Wahrscheinlich hattest du nie genug Zeit, um dich zu verlieben.”
“Ich weiß nicht, ob man Zeit braucht, um sich zu verlieben, Claudia. Die Liebe kommt manchmal wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Daran hat es bei mir wohl gefehlt. Ich freue mich auf unser Zusammenleben. Wir werden gute Freunde und Gefährten sein, denn wir mögen uns. Das ist für eine Ehe ebenso wichtig wie Liebe.”
“Wahrscheinlich hast du Recht”, stimmte Claudia nach kurzer Überlegung zu,
“aber genau können wir es nicht wissen, oder? Dazu hättest du eine Frau heiraten müssen, die du liebst, aber nicht magst.”
Sie waren einen Hügel hinaufgestiegen und blieben stehen, um die ersten schwachen Sonnenstrahlen über die Landschaft huschen zu sehen. “Schön, nicht wahr?” Claudia seufzte. “Das werde ich als Einziges vermissen.”
“Verständlicherweise. Ich habe schon daran gedacht, in dieser Gegend ein kleines Haus zu kaufen, in dem wir die Wochenenden verbringen können.
London ist von hier aus bequem zu erreichen.”
Thomas hatte Claudia den Arm um die Schultern gelegt, und sie drehte sich mit leuchtenden Augen zu ihm um. “O Thomas, das wäre wunderbar, aber würde es dir auch gefallen?”
“Sehr sogar. Wir warten bis zum neuen Jahr und gehen dann auf Haussuche.
Zwischen hier und der M3 liegen viele hübsche Dörfer.”
Die Sonne befand sich inzwischen hoch am Himmel. “Wir sollten lieber umkehren”, meinte Claudia zögernd. “In diesem Aufzug können wir nicht heiraten.”
Thomas betrachtete sie sorgfältig. “Nein. Dein Haar kann so bleiben, aber sonst…”
Claudia lachte. “Ich habe eine alte Hose und einen Pullover über mein Nachthemd angezogen, und wem der Mantel gehört, weiß ich nicht. Er hing hinter der Küchentür. “
“Das alles ändert nichts an deiner Schönheit”, versicherte Thomas, und damit traten sie den Rückweg an.
Vor der Küchentür verabschiedete er sich mit einem flüchtigen Kuss. “Sei pünktlich”, ermahnte er Claudia und ging, während sie ihm noch nachsah.
“Ihre Mutter ist außer sich”, berichtete Mrs. Pratt, als Claudia in die Küche kam. “Was war bloß in Sie gefahren, Miss Claudia? Am Hochzeitsmorgen so davonzuschwirren! Wie eine Vogelscheuche sehen Sie aus.”
Claudia fiel der treuen Seele um den Hals. “O Mrs. Pratt, es war wunderbar!
Wie Ende und Anfang zugleich, wenn Sie mich verstehen.” Sie lief hinaus, eilte die Treppe hinauf, um zu duschen, und ging dann im Morgenmantel zum Frühstück hinunter.
“Du hättest nicht so davonstürmen sollen, Darling”, tadelte Mrs. Willis sie.
Brautleute dürfen sich am Hochzeitstag erst in der Kirche begegnen. Mrs. Pratt meinte, du hättest wie eine Vogelscheuche ausgesehen.”
Claudia nahm sich einen Toast. “Es war so schön, Mum. Wir haben die Sonne aufgehen sehen. Ich bin sehr glücklich! “
Mrs. Willis, die selbst sehr glücklich war, beugte sich über den Tisch und legte ihre Hand auf die ihrer Tochter. “Ich verstehe dich ja, mein Kind, und George tut es auch. Er wurde gerufen … kurz bevor du heruntergekommen bist. Mrs.
Parsons Enkel hat sich an einer Flasche verletzt.”
“Er wird doch rechtzeitig zur Trauung zurück sein? Er soll unbedingt dabei sein.”
“Keine Sorge, Schatz. Die Wunde muss nur mit einigen Stichen genäht werden.”
Claudia betrachtete sich sorgfältig im Spiegel. Sie hatte sich beim Ankleiden große Mühe gegeben, Gesicht und Frisur mehr Beachtung als sonst geschenkt und den Samthut schräg aufgesetzt. Für eine kleine Hochzeit sah sie annehmbar aus.
Ob alles ein gutes Ende nehmen würde? Thomas war überzeugt davon, sie selbst im Grunde auch, aber im letzten Augenblick spürte sie doch geheime Zweifel. Ob das jeder Braut so erging? Fragte sich jede, ob sie den richtigen Schritt tat, oder lag es bei ihr daran, dass sie einen Mann heiratete, den sie kaum kannte?
Claudia
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