Das Paradies auf Erden
uns freuen. Der Professor gefiel uns auf Anhieb. Habe ich nicht Recht, Mrs. Pratt?”
Mrs. Pratt rührte gerade eine delikate Sauce an. “Ein hübsches Paar sind Sie beide, Miss Claudia, aber ich hoffe, dass der Professor diesen alten Morgenmantel nie zu sehen bekommt. So warm und kuschelig er gewesen sein mag, seine Zeit ist um.”
Claudia goss heißes Wasser in die Teekanne, um sie vorzuwärmen. Mrs. Pratt hatte natürlich Recht, aber irrte sie sich nicht in Thomas? Er wusste, dass sie keine Zeit für Einkäufe gehabt hatte, und soweit sie es beurteilen konnte, war ihm ihr Aussehen eher gleichgültig.
„Ich werde in London einkaufen gehen”, versprach sie, “und dieser Morgenmantel bleibt hier.”
Sie tranken den Tee in freundschaftlichem Schweigen, bis Rob aufwachte und seinen Korb neben dem Herd verließ.
“Ich lasse ihn heraus, wenn ich meiner Mutter Tee bringe”, sagte Claudia, aber Tombs ließ das nicht gelten.
“Sie werden nichts dergleichen tun, Miss Claudia. An Ihrem Hochzeitstag andere bedienen … das wäre ja noch schöner! “
Claudia ging wieder in ihr Zimmer hinauf. Es wurde langsam hell, und sie öffnete das Fenster und atmete die frische Morgenluft ein. Es hatte in der Nacht leichten Frost gegeben, so dass es ein klarer Wintertag werden würde. Ob das ein gutes Vorzeichen war? Sie hoffte es.
Am anderen Ende des Dorfes schliefen Thomas und seine Eltern im “Duck and Thistle”. Sie waren gestern zur Teezeit angekommen - Thomas in seinem Rolls -
Royce, seine Eltern in einem Daimler. Claudia hatte ihre Ankunft vom Fenster aus beobachtet und war gleich hinuntergelaufen, um sie zu begrüßen.
Mrs. Tait-Bullen kam zuerst herein, aber ehe sie Claudia erreichte, war Thomas da. Er begrüßte Claudia mit einem Kuss und stellte sich neben sie.
“Das ist Claudia”, sagte er. “Claudia … meine Mutter und mein Vater.”
Danach war alles ganz einfach. Beide umarmten Claudia so herzlich, dass ihr alle Angst genommen wurde.
Mr. Tait-Bullen war ein älteres Ebenbild seines Sohnes. Er hatte dichtes graues Haar, hielt sich sehr aufrecht und sah immer noch gut aus. Mrs. Tait-Bullen hatte etwa Claudias Größe. Ihre einstige Schönheit war noch zu erahnen, und sie tat nichts, um mit irgendetwas nachzuhelfen. Ihr Gesicht zeigte die ersten tieferen Falten, und ihr graues Haar war schlicht frisiert. Nur ihre Augen -
leuchtend blaue, fröhlich blickende Augen - waren jung geblieben. Sie kleidete sich anspruchsvoll, aber zurückhaltend, mit einer kleinen altmodischen Nuance.
Claudia mochte sie sofort.
Der gemeinsame Abend verlief in harmonischer Atmosphäre. Thomas’ Eltern belästigten Claudia nicht mit Fragen. Sie sprachen über die Hochzeit und schwärmten von ihrem Dorf in Cumbria, das Claudia in wenigen Wochen kennen lernen sollte. Von ihrem Haus erzählten sie wenig.
Beim Aufbruch zum “Duck and Thistle” hatte Thomas Claudia einen Moment beiseite genommen und gefragt: “Kalte Füße, Claudia?”
“Natürlich nicht”, hatte sie entrüstet geantwortet und nach einem Blick in sein ruhiges Gesicht leiser hinzugefügt: “Wirklich nicht, Thomas. Das verspreche ich dir.”
Claudia wollte gerade das Fenster schließen, als sie jemanden die Dorfstraße entlangkommen sah. Es war Thomas, das konnte sie trotz der Dämmerung erkennen. Er kam durch die offene Gartentür und blieb unter ihrem Fenster stehen.
“Begleitest du mich auf einem Spaziergang?” fragte er.
Woher wusste er, dass sie in diesem Moment keinen größeren Wunsch hatte?
“Gib mir fünf Minuten”, sagte sie und schloss das Fenster.
Im Schrank fand sie eine alte Hose und einen Pullover. Sie zog beides über ihr Nachthemd an, band ihr Haar zurück, putzte sich die Zähne und ging wieder in die Küche, wo ihre Gummistiefel standen. Unter Tombs’ und Mrs. Pratts erstaunten Blicken zog sie erst Socken und dann die Stiefel an, warf sich einen der Mäntel um, die hinter der Küchentür hingen, und verschwand nach draußen, nachdem sie ihnen eine Kusshand zugeworfen hatte.
Thomas nahm ihren Arm und wählte die erste Straße, die vom Dorf wegführte.
“Keine Handschuhe?” fragte er mit einem Blick auf ihre Hände. Als sie den Kopf schüttelte, zog er seine aus und streifte sie ihr über die erstarrten Hände.
“Normalerweise verhalten sich Braut und Bräutigam am Morgen ihrer Hochzeit etwas förmlicher, aber…”
“Wir feiern ja keine normale Hochzeit, nicht wahr?”
Die Straße ging in einen holperigen Fahrweg über,
Weitere Kostenlose Bücher