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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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der Warenabnahme war, und es entspann sich eine erregte Auseinandersetzung. Wie? fragte Mouret, er setze eigenmächtig die Preise herab? Hutin war sehr erstaunt, als er das hörte; er habe mit Favier nur darüber gesprochen, erwiderte er, ohne ihm einen bestimmten Auftrag zu geben. Favier nahm die beleidigte Miene eines Untergebenen an, der in der unangenehmen Lage ist, seinem Vorgesetzten widersprechen zu müssen, aber dennoch den Fehler auf sich nimmt, um den anderen aus der Patsche zu ziehen. Damit wurde die Sache prompt noch schlimmer.
    »Herr Hutin«, rief Mouret, »ich habe solche Eigenmächtigkeiten niemals geduldet! Wir allein setzen die Preise fest!«
    Man war überrascht von dieser Schärfe, denn im Grunde konnte der Fehler doch wirklich einem Mißverständnis entsprungen sein. Es schien, als wollte der Chef Hutin seine ganze Strenge fühlen lassen, um sich an ihm zu rächen, weil er allgemein als Denises Geliebter galt.
    »Ich hatte nur die Absicht«, wiederholte Hutin, »Ihnen diese Preisermäßigung vorzuschlagen, denn der schwarze Samt ist nicht gegangen, wie Sie wissen.«
    Mouret wollte kurz abbrechen und sagte in erbittertem Ton:
    »Es ist gut, wir werden die Angelegenheit prüfen, künftig aber lassen Sie sich solche Dinge nicht wieder einfallen, wenn Sie in unserem Haus bleiben wollen.«
    Damit wandte er ihm den Rücken. Hutin war wie betäubt und mit Recht wütend; da gerade niemand anderer da war, dem er sein Herz hätte ausschütten können, als Favier, schwur er ihm, daß er dem brutalen Kerl demnächst seine Entlassung an den Kopf werfen wolle. Später sprach er aber nicht mehr davon, wegzugehen; er begnügte sich damit, all die schmutzigen Geschichten wieder aufzurühren, die über die Herren von der Geschäftsleitung im Umlauf waren. Favier seinerseits verteidigte sich und versicherte Hutin seiner wärmsten Teilnahme. Er hatte doch antworten müssen – das würde jeder einsehen; und wer hätte schon geglaubt, daß wegen einer solchen Kinderei so viel Krawall gemacht würde? Was war mit dem Chef in letzter Zeit bloß los, daß man ihm gar nichts mehr recht machen konnte?
    »Was mit ihm ist?« sagte Hutin. »Das weiß doch jeder. Ist es denn meine Schuld, daß diese Dirne aus der Konfektionsabteilung ihn nicht mag? Daher weht der Wind! … Er weiß, daß ich mit ihr geschlafen habe, und das ist ihm nicht angenehm … Oder vielleicht will sie mich hinauswerfen lassen, weil ich ihr unbequem bin! … Kommt sie mir einmal in den Wurf, dann soll sie etwas von mir zu hören kriegen!«
    Als Hutin zwei Tage später ins Atelier der Konfektionsabteilung hinaufstieg, um eine Arbeiterin zu empfehlen, sah er zu seiner großen Überraschung Denise und Deloche am anderen Ende des Ganges an eine Fensterbrüstung gelehnt und so ins Gespräch vertieft, daß sie nicht einmal den Kopf umwandten. Als er zu seinem Erstaunen bemerkte, daß Deloche weinte, kam ihm plötzlich der Gedanke, sie überraschen zu lassen. Geräuschlos zog er sich zurück. Auf der Treppe traf er Bourdoncle und Jouve. Er erzählte ihnen schnell ein Märchen von einer Tür, die oben aus den Angeln gerissen zu sein schien. Dies veranlaßte die beiden hinaufzugehen, und da sah Bourdoncle natürlich das Paar. Er sandte Jouve sofort zum Chef.
    Es war dies ein verlorener Winkel in dem weiten Riesenbau. Denise war hier schon mehrmals Deloche begegnet, der offenbar auf sie gewartet hatte. Es gehörte zu ihren Pflichten als Zweite die Verbindung zwischen der Konfektionsabteilung und dem Atelier aufrechtzuhalten, wo übrigens nur Entwürfe und Änderungen gemacht wurden. Alle Augenblicke kam sie herauf, um ihre Anweisungen zu erteilen. Er paßte ständig auf wie ein Luchs, erfand immer wieder einen Vorwand und flitzte davon. Wenn sie ihn gleich darauf an der Tür des Ateliers traf, tat er überrascht und entschuldigte sich. Schließlich mußte sie über diese Begegnungen lachen, ja es sah aus, als gehe sie auf seine List ein. Sie zogen sich dann an das Fenster am Ende des Gangs zurück, stützten sich mit dem Ellbogen auf das Gesims und vergaßen sich in heiterem Geplauder, in endlosen Erinnerungen an die Heimat, an das Land ihrer Kindheit. Unter ihnen erstreckte sich das ungeheure Glasdach des Mittelbaus, und darüber hinaus sahen sie nichts als den Himmel, dessen flüchtige Wolken und zartes Blau sich in dem Glasdach widerspiegelten.
    An diesem Tag sprach Deloche eben wieder von Valognes. Traumverloren standen sie da, wie ein Zauberbild schienen vor

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