Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
gekommen. Heute aber wollte Mouret sich austoben, und dementsprechend behandelte er den hübschen Mignot, der zitternd, bleich und verstört vor ihm stand.
    »Ich sollte die Polizei holen lassen!« schrie er ihn im Beisein der anderen Verkäufer an. »Antworten Sie mir: Wer ist dieses Frauenzimmer? Ich schwöre Ihnen, daß ich die Polizei rufen lasse, wenn Sie mir nicht die Wahrheit sagen.«
    Man hatte die Schuldige weggeführt, zwei Verkäuferinnen durchsuchten sie. Mignot stammelte:
    »Ich kenne sie nicht näher. Sie ist nur gekommen –«
    »Lügen Sie doch nicht!« unterbrach ihn Mouret noch heftiger als zuvor. »Ist niemand da, der in der Sache Bescheid weiß? Ihr haltet alle zusammen! Das ist ja wie unter Räubern, so werden wir bestohlen und ausgeplündert! Man müßte jedem einzelnen die Taschen durchsuchen, wenn er fortgeht.«
    Die Angestellten begannen zu murren. Einige Kunden, die Handschuhe kaufen wollten, blieben erschrocken und verstört stehen.
    »Ruhe!« schrie Mouret wütend, »oder ich jage euch alle zum Teufel!«
    Jetzt eilte Bourdoncle herbei, um einen Skandal zu verhüten. Er flüsterte Mouret einige Worte ins Ohr, die Geschichte schien eine ernste Wendung nehmen zu wollen; sie führten Mignot in das Aufsichtsbüro, das im Erdgeschoß in der Nähe der Tür nach der Place Gaillon lag. Hier war das Frauenzimmer gerade im Begriff, sich in aller Ruhe wieder anzuziehen. Als man energischer in sie gedrungen war, hatte sie Albert Lhommes Namen genannt. Mignot, von neuem befragt, verlor nun den Kopf und beteuerte schluchzend, er sei nicht schuld an der Sache; Albert schicke ihm seine Geliebten. Anfangs hatte er sie nur in der Weise unterstützt, daß er sie auf günstige Gelegenheiten aufmerksam machte, später, als er merkte, daß sie stahlen, war er schon zu sehr bloßgestellt, um die Geschäftsleitung zu benachrichtigen. Die Herren erfuhren jetzt eine ganze Reihe abgefeimter Diebstähle: angefangen von den Waren, die diese Dirnen unter ihren Röcken mitnahmen, und den Käufen, die die betreffenden Angestellten bei der Kasse nicht registrieren ließen und deren Preis sie dann mit dem Kassierer teilten, bis zu den vorgetäuschten Rückgaben, die man meldete, um das Geld dafür einzustecken. Seit vierzehn Monaten betrieben Mignot und mit ihm ohne Zweifel noch andere Verkäufer, die zu nennen er sich weigerte, an der Kasse Alberts dieses unsaubere Geschäft, und es waren dabei Summen unterschlagen worden, deren genaue Höhe wohl niemals festgestellt werden konnte.
    Die Nachricht von dem Vorfall verbreitete sich rasch durch die Abteilungen; die ein schuldbeladenes Gewissen hatten, zitterten, aber auch die Ehrenhaftesten fürchteten eine allgemeine Säuberung. Man hatte Albert im Aufsichtsbüro verschwinden sehen. Dann war Lhomme nachgefolgt, hochrot im Gesicht, als bekäme er gleich einen Schlaganfall. Endlich war Frau Aurélie gerufen worden; sie trug trotz aller Schmach den Kopf hoch, war aber sehr blaß. Die Auseinandersetzung dauerte lange, niemand erfuhr etwas Näheres; doch erzählte man sich, die Direktrice der Konfektionsabteilung habe ihren Sohn geohrfeigt und der brave alte Vater habe geweint wie ein Kind, während der Chef ganz entgegen seinen Gewohnheiten geflucht habe wie ein Bierkutscher und die Schuldigen durchaus dem Gericht habe übergeben wollen. Indessen wurde der Skandal unterdrückt, nur Mignot wurde auf der Stelle davongejagt. Albert verschwand erst zwei Tage später; ohne Zweifel hatte seine Mutter erwirkt, daß man die Familie nicht durch seine fristlose Entlassung bloßstellte. Allein noch tagelang wirkte der Schrecken in allen Abteilungen nach. Mouret ging mit wütender Miene umher und mähte jeden nieder, der nur den Blick zu erheben wagte.
    »Was stehen Sie hier herum und betrachten die Fliegen? Gehen Sie zur Kasse!«
    Endlich brach das Gewitter doch über Hutin nieder. Favier, der zum Zweiten aufgerückt war, arbeitete jetzt gegen den andern, um ihn von seinem Posten zu verdrängen. Als eines Morgens Mouret durch die Seidenabteilung ging, blieb er überrascht stehen: Favier war damit beschäftigt, schwarzen Samt niedriger auszuzeichnen.
    »Warum setzen Sie den Preis herab?« fragte er; »wer hat Ihnen den Auftrag gegeben?«
    Favier, der seine Arbeit sehr auffällig verrichtet hatte, um die Aufmerksamkeit des vorübergehenden Chefs auf sich zu lenken, sagte scheinbar überrascht:
    »Wer? Nun, Herr Hutin.«
    »Herr Hutin? – Wo ist Herr Hutin?«
    Man holte Hutin, der gerade in

Weitere Kostenlose Bücher