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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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liebe Sie, ich liebe Sie!« rief er; »finden Sie denn ein Vergnügen daran, mich dermaßen zu quälen? Sehen Sie denn nicht, daß außer Ihnen gar nichts mehr für mich existiert? Daß alle Leute, von denen ich mit Ihnen spreche, mich nur Ihretwegen interessieren? Daß Sie allein es sind, die für mich in der Welt Bedeutung hat? Ich glaubte, Sie seien eifersüchtig, und habe Ihnen meine Vergnügungen geopfert. Man hat Ihnen gesagt, daß ich Geliebte habe; nun, ich habe keine mehr, ich komme kaum aus dem Haus. Habe ich Sie jener Dame nicht vorgezogen? Habe ich mit ihr nicht gebrochen, um Ihnen allein anzugehören? Ich warte noch immer auf Erkenntlichkeit, auf ein Wort des Dankes. Wenn Sie glauben, ich könnte vielleicht zu ihr zurückkehren, so dürfen Sie ganz ruhig sein; sie rächt sich, indem sie einem unserer früheren Angestellten behilflich ist, ein Konkurrenzunternehmen gegen mich ins Leben zu rufen! … Sagen Sie, muß ich erst vor Ihnen in die Knie sinken, um Ihr Herz zu rühren?«
    So weit war es also gekommen: er, der seinen Verkäuferinnen nicht das kleinste Vergehen nachsah, der sie bei der geringsten Laune vor die Tür setzte, sah sich genötigt, eine von ihnen anzuflehen, sie möge nicht weggehen, ihn nicht in seinem Elend verlassen. Er verwehrte ihr die Tür, war bereit, ihr zu verzeihen, ja sich blind zu stellen, wenn sie ihn belügen wollte. Er sprach die Wahrheit, er war der Dirnen überdrüssig, die er hinter den Kulissen der kleinen Theater und in den Varietes aufgelesen hatte; er traf Claire nicht mehr, er setzte keinen Fuß in das Haus von Frau Desforges, wo jetzt Bouthemont herrschte und auf die Eröffnung seines neuen Warenhauses »Zu den vier Jahreszeiten« wartete, das bereits alle Zeitungen mit seiner Reklame füllte.
    »Sagen Sie, muß ich zu Ihren Füßen niedersinken?« wiederholte er mit tränenerstickter Stimme.
    Sie hielt ihn mit der Hand zurück und konnte ihre eigene Verwirrung kaum meistern angesichts dieses leidenschaftlichen Schmerzes.
    »Es ist nicht recht von Ihnen, daß Sie sich so grämen«, antwortete sie endlich. »Ich schwöre Ihnen, daß all die abscheulichen Geschichten erlogen sind; der arme junge Mann hat sich ebensowenig strafbar gemacht wie ich selbst.«
    Sie stand wieder in ihrer gewinnenden Offenheit da, ihre klaren Augen bückten ihn freimütig an.
    »Es ist gut, ich glaube Ihnen«, murmelte er. »Ich werde niemanden von Ihren Freunden entlassen, da Sie sie alle in Schutz nehmen … Aber warum stoßen Sie mich zurück, wenn Sie niemand anderen lieben?«
    Eine peinigende Verlegenheit, eine schamvolle Unruhe bemächtigte sich plötzlich des jungen Mädchens.
    »Sie lieben jemanden, nicht wahr?« fragte er mit zitternder Stimme. »Sie können es mir sagen, ich habe ja kein Recht auf Ihre Zuneigung. Sie lieben jemanden …«
    Sie errötete tief und war nahe daran, ihr Geheimnis preiszugeben. Sie fühlte, daß es ihr in ihrer Bewegung unmöglich gewesen wäre, zu lügen, zumal ihr die Wahrheit im Gesicht geschrieben stand.
    »Ja«, gestand sie endlich leise. »Aber ich bitte Sie, lassen Sie mich, Sie tun mir weh.«
    Jetzt waren die Qualen an ihr. War es denn nicht genug, daß sie sich gegen ihn verteidigen mußte? Sollte sie sich noch gegen sich selbst verteidigen müssen, gegen die Aufwallungen der Liebe zu ihm, die ihr manchmal allen Mut raubten? Wenn er so zu ihr sprach, wenn sie ihn so bewegt, so verstört vor sich sah, begriff sie nicht mehr, warum sie sich weigerte. Nur mühsam fand sie dann ihren Stolz und ihre Vernunft wieder, die sie in ihrer jungfräulichen Sprödigkeit verharren ließen. Sie blieb hartnäckig allein aus dem Wunsch nach einem ruhigen, dauerhaften Glück, nicht weil sie dem Gedanken der Tugend an sich gehorchen wollte. Sie wäre diesem Mann in die Arme gesunken, wenn es ihr nicht widerstrebt hätte, ihr ganzes Wesen für immer hinzugeben, ohne auch nur zu wissen, was der morgige Tag bringen mochte.
    Mouret machte eine Gebärde dumpfer Verzweiflung, er hatte sie nicht verstanden. Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, blätterte in den Papieren, legte sie dann wieder hin und sagte:
    »Ich will nicht in Sie dringen, Fräulein, ich kann Sie ja nicht gegen Ihren Willen zurückhalten.«
    »Aber ich will ja gar nicht weggehen«, erwiderte sie lächelnd.
    »Wenn Sie mich für anständig halten, bleibe ich … Man sollte die Frauen immer für anständig halten, es gibt viele, die es sind, glauben Sie mir.«
    Sie hatte unwillkürlich die Augen zu

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