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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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selbst die Mutigsten. Als Bourdoncle sah, daß auch dieses System das Geschäft noch nicht rasch genug leerte, hatte er eine andere Art erfunden, durch die er die jungen Leute ohne jede Mühe abmurkste. Schlag acht stellte er sich mit der Uhr in der Hand an die Tür, und wenn einer nur drei Minuten Verspätung hatte, wurde ihm das unerbittliche »Gehen Sie zur Kasse!« zuteil. Die Bevorzugten erhielten einen vierzehntägigen Urlaub ohne Bezahlung; das war eine etwas humanere Art, die Geschäftsausgaben zu verringern.
    In den Abteilungen wurde von nichts anderem mehr gesprochen. Jeden Tag gab es neue Geschichten, man nannte die Namen der entlassenen Angestellten, wie man zu Zeiten großer Epidemien die Toten zählt. Bei der geringsten Klage der Kundschaft zeigte die Geschäftsleitung sich unerbittlich, keine Entschuldigung wurde angenommen, der Angestellte hatte immer unrecht und mußte verschwinden wie ein schadhaftes Werkzeug, das dem reibungslosen Funktionieren des Verkaufs nur im Wege ist. Die Kollegen ließen stumm den Kopf hängen, in der allgemeinen Angst zitterte jeder um sich selbst. Mignot wurde eines Tages dabei ertappt, daß er trotz des Verbots ein Paket unter seinem Mantel mitnehmen wollte, und entging mit knapper Not der Gefahr, hinausgeworfen zu werden; Liénard, dessen Trägheit bekannt war, verdankte es nur seinem Vater, daß er nicht flog, als ihn Bourdoncle eines Nachmittags zwischen zwei Samtstapeln schlafend antraf. Insbesondere aber war das Ehepaar Lhomme besorgt. Sie waren jeden Morgen darauf gefaßt, ihren Sohn Albert entlassen zu sehen; man war mit ihm sehr unzufrieden wegen der Art, wie er seine Kasse führte. Seine Frauenzimmer kamen gar ins Geschäft, um ihn zu unterhalten, und Frau Aurélie hatte schon zweimal bei der Direktion Fürbitte tun müssen, damit er nicht entlassen wurde.
    Inmitten dieses allgemeinen Auskehrens lebte Denise in beständiger Angst; sie befürchtete jeden Augenblick eine Katastrophe. Es begannen wieder die Aufregungen der ersten Wochen, sie kam sich vor wie ein Hirsekorn unter einem mächtigen Mühlstein. Sie konnte sich keiner Täuschung hingeben: wenn eine Verkäuferin der Konfektionsabteilung entlassen werden sollte, dann war sicher sie die erste. Während der Landpartie nach Rambouillet mußten ihre Kolleginnen sie bei Frau Aurélie verleumdet haben, denn seit jener Zeit war die Direktrice doppelt streng gegen sie. Man konnte ihr nicht verzeihen, daß sie sich den Ausflug nach Joinville gegönnt hatte, man erblickte darin eine Auflehnung und war wütend, daß sie sich außerhalb des Hauses offiziell in Gesellschaft einer Verkäuferin aus der feindlichen Abteilung gezeigt hatte. Denise bekam die allgemeine Abneigung noch mehr zu spüren als bisher und verzweifelte schon daran, ihre Kolleginnen jemals umzustimmen.
    »Lassen Sie sie doch laufen«, suchte Pauline sie zu trösten. »Es sind Flausenmacherinnen, nichts als dumme Gänse.«
    Aber gerade das vornehme Gehabe der Mädchen schüchterte Denise vollends ein. In ihrem täglichen Umgang mit der Kundschaft hatten die Verkäuferinnen eigene Manieren angenommen, sie stellten ein seltsames Mittelding zwischen Arbeiterin und Bürgersfrau dar. Ihre gekünstelte Art, sich zu kleiden, ihre gezierte Haltung, die angelernten Redensarten zeugten von einer Halbbildung, die aus der Lektüre von Zeitschriften und aus gelegentlichen Theaterbesuchen zu stammen schien.
    »Wissen Sie schon, daß die ›Löwenmähne‹ ein Kind hat?« fragte Claire eines Morgens, als sie in die Abteilung kam.
    Als alle sehr erstaunt waren, fügte sie hinzu:
    »Ich sah sie gestern abend den Balg spazierenführen … Sie scheint ihn irgendwo untergebracht zu haben.«
    Zwei Tage später brachte Marguerite, die vom Essen heraufkam, eine andere Neuigkeit.
    »Eine saubere Geschichte: ich habe den Liebhaber der ›Löwenmähne‹ gesehen … Es ist ein Arbeiter; denken Sie sich: ein kleiner, schmutziger Arbeiter mit strohblonden Haaren, der zu den Fenstern hereinglotzte, bis sie hinausging.«
    Von da ab galt es als feststehende Tatsache: Denise hatte einen Handwerker zum Geliebten und hielt irgendwo im Stadtviertel ihr Kind versteckt. Man überschüttete sie mit boshaften Anspielungen. Als sie deren Bedeutung zum erstenmal begriff, wurde sie leichenblaß angesichts solcher ungeheuerlichen Verdächtigungen. Das war abscheulich; sie wollte sich rechtfertigen und stammelte:
    »Aber das sind doch meine Brüder!«
    »Ach ja, Ihre Brüder!« sagte Claire

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