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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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der angrenzenden Abteilung trat.
    »Es ist nur Jouve«, sagte sie dann beruhigt. »Ich weiß nicht, was der Alte immer zu lachen hat, wenn er uns beide beisammen sieht. Ich an Ihrer Stelle würde mich vor ihm in acht nehmen, er tut zu freundlich Ihnen gegenüber. Er ist ein hinterlistiger Bursche.«
    Der alte Jouve war in der Tat wegen seiner überstrengen Aufsicht bei allen Verkäufern verhaßt. Die Entlassungen geschahen größtenteils auf seine Berichte hin. Nur in den Abteilungen, wo Frauen angestellt waren, zeigte er sich freundlicher.
    »Weshalb sollte ich ihn fürchten?« fragte Denise.
    »Weil er vielleicht Dankbarkeit von Ihnen verlangen wird«, erwiderte Pauline lachend. »Mehrere Mädchen suchen mit ihm auf gutem Fuß zu bleiben.«
    Jouve entfernte sich wieder und tat, als habe er sie nicht bemerkt.
    »Übrigens«, sagte Pauline, »suchten Sie nicht gestern Robineau? Ich meine, er ist zurück.«
    Denise glaubte sich gerettet.
    »Vielen Dank; dann will ich einen Umweg durch die Seidenabteilung machen.«
    Schnell, als begebe sie sich zu einer der Kassen, ging sie in die Halle hinab. Es war viertel vor zehn; man hatte soeben für die erste Schicht zum Essen geläutet. Die Sonne sandte ihre drückend heißen Strahlen durch das Glasdach. Die Verkäufer standen verschlafen herum; da und dort sah man eine vereinzelte Kundin müden Schritts durch die Abteilungen schlendern.
    Als Denise herunterkam, maß Favier eben leichte Seide zu einem Kleid für Frau Boutarel ab, die tags vorher aus dem Süden angekommen war. Hutin hatte sich auf die reizende Blondine gestürzt, die jede Woche im »Paradies der Damen« erschien, immer allein. Diesmal hatte sie einen Jungen von vier bis fünf Jahren bei sich.
    »Sie ist also verheiratet?« fragte Favier, als Hutin von der Kasse zurückkam.
    »Möglich«, sagte der andere, »obgleich das Kind nichts beweist. Vielleicht gehört es einer Freundin …«
    In diesem Augenblick ging Denise durch die Seidenabteilung; sie verlangsamte ihren Schritt und blickte um sich, um Robineau zu entdecken. Sie sah ihn nicht, ging in die Weißwarenabteilung und kam dann zurück. Die beiden Verkäufer hatten sie bemerkt.
    »Da ist ja schon wieder dieses Knochengerüst«, murmelte Hutin.
    »Sie sucht Robineau«, sagte Favier. »Ich weiß nicht, was sie miteinander haben. Es wird nichts Angenehmes sein; dazu ist Robineau zu dumm. Man erzählt, daß er ihr eine kleine Nebenbeschäftigung verschafft habe: Krawattennähen.«
    Hutin sann auf eine Bosheit; als Denise an ihm vorüberkam, hielt er sie plötzlich an und sagte:
    »Suchen Sie mich?«
    Sie errötete tief. Seit jenem Abend in Joinville wagte sie nicht mehr, in ihrem Herzen zu lesen, in dem unbestimmte Empfindungen miteinander kämpften. Sie sah ihn immer wieder in Gesellschaft jener Dirne mit den strohgelben Haaren, und wenn sie in seiner Gegenwart auch noch zusammenfuhr, so geschah es doch mehr aus Unbehagen. Hatte sie ihn geliebt, liebte sie ihn vielleicht noch immer? Sie wollte über diese für sie so peinlichen Dinge nicht länger nachdenken.
    »Nein«, erwiderte sie verlegen.
    Er aber weidete sich an ihrer Verwirrung und sagte:
    »Favier, das Fräulein sucht etwas Bestimmtes; legen Sie ihr doch mal Robineau vor.«
    Sie sah ihn an mit jener ruhigen und traurigen Miene, mit der sie die verletzenden Anspielungen ihrer Kolleginnen aufzunehmen gewohnt war. Er war also boshaft und kränkte sie ebenso wie die übrigen; es war ihr, als tue ein Abgrund sich zwischen ihm und ihr auf. In ihren Zügen drückte sich ein solcher Kummer aus, daß Favier, sonst von wenig zartem Gemüt, ihr zu Hilfe kam.
    »Herr Robineau ist bei der Warenabnahme«, sagte er, »er wird zum Essen sicher zurückkommen; Sie werden ihn nachmittags hier finden, wenn Sie ihn sprechen müssen.«
    Denise dankte und ging in die Konfektionsabteilung zurück, wo Frau Aurélie sie mit kühlem Zorn empfing. Wie, sie war seit einer halben Stunde fort? Woher kam sie denn? Gewiß nicht aus dem Atelier! Denise ließ den Kopf hängen und dachte darüber nach, wie hartnäckig das Unglück hinter ihr her war. Wenn Robineau nicht zurückkam, war alles aus. Sie wollte aber doch nachmittags wieder nach ihm schauen.
    In der Seidenabteilung hatte die Wiederkehr Robineaus eine wahre Revolution hervorgerufen. Die Abteilung hatte gehofft, daß er, angewidert von den Verdrießlichkeiten, die man ihm fortwährend bereitete, ganz fortbleiben werde; und einen Augenblick war er, von Vinçard noch immer

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