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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gedrängt, sein Geschäft zu übernehmen, auch nahe daran gewesen, auf das Angebot einzugehen. Während seines Urlaubs hatte Hutin, der ihn vertrat, in jeder Weise versucht, dem Zweiten in den Augen des Chefs zu schaden und durch übermäßigen Eifer sich an seine Stelle zu bringen; bald hatte er kleine Unregelmäßigkeiten entdeckt, die sich der andere hatte zuschulden kommen lassen, bald war er mit verschiedenen Verbesserungsvorschlägen angekommen. Hinter Hutin stand Favier, und hinter Favier standen alle übrigen, die ganze Reihe drängte nach. Daher erhob sich auch ein allgemeines Murren, als der Zweite zurückkehrte. Einmal mußte doch ein Ende gemacht werden! Die Verkäufer hatten eine so drohende Haltung angenommen, daß der Abteilungsleiter, um der Direktion Zeit zu einem Entschluß zu lassen, Robineau zur Warenabnahme weggeschickt hatte.
    »Wenn er bleibt, gehen wir alle«, erklärte Hutin.
    Diese Geschichte verdroß Bouthemont sehr; er sah gern heitere Gesichter um sich, und die finsteren Mienen seiner Leute ärgerten ihn. Indessen wollte er gerecht sein.
    »Lassen Sie ihn doch in Ruhe«, sagte er, »er tut Ihnen ja nichts.«
    Da erhob sich lebhafter Widerspruch.
    »Wie, er tut uns nichts? Er ist ein unerträglicher Bursche, immer gereizt und so stolz, daß er wenn nötig über unsere Leichen gehen würde!«
    Das war der Hauptanlaß des allgemeinen Grolls. Robineau war nervös, schroff und mißtrauisch, und das wollten sie sich nicht gefallen lassen.
    »Kurz, meine Herren, ich kann nichts tun«, sagte Bouthemont; »ich habe die Geschäftsleitung in Kenntnis gesetzt und werde sogleich mit ihr über die Sache sprechen.«
    Man läutete jetzt zum zweiten Tisch. Favier und Hutin gingen hinab. Aus allen Abteilungen strömten die Angestellten herbei. Unten, am Ende des Gangs zur Küche, war ein Schalter, dahinter stand ein Koch und teilte die Portionen aus.
    »Was gibt’s denn heute?« fragte Hutin und blickte nach dem Speisezettel, der oberhalb des Schalters an einer schwarzen Tafel zu lesen war. »Aha: Rindfleisch mit pikanter Soße oder Rochen! Niemals einen Braten in dieser Bude! Das soll einem nun bekommen: ewig dieses Suppenfleisch oder der verdammte Fisch!« Der Fisch wurde gewöhnlich verschmäht; diesmal verlangte Favier jedoch von dem Rochen, während Hutin Rindfleisch mit pikanter Soße nahm. Mit einer mechanischen Handbewegung spießte der Koch ein Stück Rindfleisch auf seine Gabel und begoß es mit einem Löffel Soße. Hinter Hutin hörte man einen nach dem ändern verlangen: »Rindfleisch mit pikanter Soße … Rindfleisch mit pikanter Soße …« Jeder ging mit seiner Portion weiter bis zu einem zweiten Schalter, wo kleine unverkorkte Fläschchen Wein verteilt wurden.
    »Eine schöne Promenade mit all dem Geschirr!« brummte Hutin. Der Tisch für ihn und Favier befand sich am äußersten Ende des Ganges im zweiten Speisesaal. Die Räume sahen alle gleich aus. Es waren ehemalige Keller, fünf Meter lang, vier Meter breit, die man verputzt und so in Speiseräume umgewandelt hatte; aber die Feuchtigkeit schlug überall durch, die gelben Mauern zeigten große graue Flecken. Durch die winzigen Fenster, die sich in der Höhe des Bürgersteigs auf die Straße öffneten, fiel mattes Licht herein, fortwährend verdunkelt durch die Schatten der Vorübergehenden. Im Sommer wie im Winter herrschte hier eine unerträgliche Hitze, die mit den Speisegerüchen aus der Küche hereinströmte.
    Hutin war als erster eingetreten. Er nahm sich seine Serviette aus einem Wandregal und setzte sich seufzend.
    »Einen Hunger habe ich!« knurrte er vor sich hin.
    »Wenn man am hungrigsten ist, gibt es gewöhnlich nichts Rechtes zu essen«, bemerkte Favier, der sich zu seiner Linken niederließ.
    Der Tisch füllte sich rasch; er hatte zweiundzwanzig Gedecke. Anfangs hörte man nichts als das Geklapper der Gabeln und das hastige Kauen dieser kräftigen jungen Leute, die bei ihrer dreizehnstündigen Arbeit stets gut bei Appetit waren. Ursprünglich hatten die Verkäufer, denen eine Stunde Essenszeit zustand, ihren Kaffee auswärts trinken dürfen. Sie hatten sich dann beeilt, in zwanzig Minuten mit ihrer Mahlzeit fertig zu werden und ins Freie zu kommen. Allein man war zu dem Ergebnis gelangt, daß sie von draußen zerstreut zurückkamen und ihre Aufmerksamkeit nicht mehr so recht bei der Arbeit war. Seither mußten sie im Haus bleiben und konnten für drei Sous ihren Kaffee hier bestellen. Die Folge war wiederum, daß sie nun

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