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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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im ungünstigsten Augenblick verlasse.
    »Und Pépé?« fragte er dann.
    Das Kind war in der Tat die schwerste Sorge Denises. Sie konnte den Jungen nicht wieder zu Frau Gras geben, ihn aber auch nicht den ganzen Tag über im Zimmer eingesperrt allein lassen.
    »Schon gut, ich behalte ihn«, sagte der Alte. »In meinem Laden ist der Kleine gut aufgehoben. Wir werden dann für uns beide zusammen kochen.«
    Als sie sich weigern wollte, dieses Opfer anzunehmen, aus Furcht, daß das Kind ihm zur Last fallen könnte, wurde er böse.
    »Alle Wetter! Sind Sie etwa gar mißtrauisch? Ich werde Ihren Kleinen nicht fressen!«
    Bei Robineau fühlte Denise sich wohler. Er bezahlte allerdings nicht viel: nur sechzig Franken monatlich und die Kost, keine Verkaufsprovision. Aber sie wurde sehr gut behandelt, besonders von Frau Robineau, einer hübschen, reizvollen jungen Frau, die ihren Mann abgöttisch verehrte und nur in dieser Liebe und für diese Liebe lebte. Schon nach einem Monat gehörte Denise ebenso zur Familie wie die andere Verkäuferin, eine stille, kränkliche kleine Frau. Man tat sich vor ihnen keinen großen Zwang an, sprach in ihrer Gegenwart ungeniert von den Geschäften, besonders beim Essen, das in einem an den Laden angrenzenden Hinterzimmer eingenommen wurde. Hier war es auch, wo eines Tages beschlossen wurde, den Kampf gegen das »Paradies der Damen« aufzunehmen.
    »Das wird auf die Dauer unerträglich!« erklärte Gaujean, der zu Tisch erschienen war. »Da kommen sie zu Dumonteil, sichern sich das Alleinverkaufsrecht an einem Muster, bestellen gleich dreihundert Stück, fordern einen Nachlaß von fünfzig Centimes für den Meter, und da sie bar bezahlen, bekommen sie auch noch ein hohes Skonto. Manchmal verdient Dumonteil keine zwanzig Centimes am Meter. Er arbeitet oft nur, um seine Webstühle zu beschäftigen, denn eine Fabrik, die feiert, ist so gut wie tot … Wie sollen wir mit unseren bescheideneren Mitteln einen solchen Kampf aushalten?«
    Robineau saß in Gedanken verloren da, ohne zu essen.
    »Dreihundert Stück«, flüsterte er. »Und ich komme mir schon sehr verwegen vor, wenn ich zwölf Stück mit neunzig Tagen Ziel kaufe. Da können die andern leicht einen bis zwei Franken billiger auszeichnen als wir. Ich habe festgestellt, daß ihre Preise fast generell um fünfzehn Prozent niedriger sind als die unseren.«
    Er war wieder einmal ganz mutlos. Seine Frau betrachtete ihn mit besorgten, zärtlichen Blicken. Ihr sagte das Geschäftsleben nicht zu, und sie konnte nicht begreifen, wie man sich derart abmühen konnte, wo es doch so leicht war, nur für das Glück und die Liebe dazusein. Aber da ihr Mann nun einmal mit Leidenschaft bei der Sache war, tat auch sie ihr Bestes.
    »Und wie kommt es, daß die Fabriken sich nicht zusammentun?« fragte Robineau heftig. »Dann würden sie die Gesetze diktieren, statt sie sich diktieren zu lassen.«
    »Wie das kommt?« meinte Gaujean. »Ich sagte Ihnen ja, daß die Webstühle arbeiten müssen. Wenn man überall in der Umgebung von Lyon Webereien eingerichtet hat, so kann man keinen Tag feiern, ohne sich großen Verlusten auszusetzen. Was die Warenvorräte angeht, so sind wir, die wir zuweilen kleine Unternehmer mit nur zehn bis fünfzehn Webstühlen beschäftigen, noch eher Herren der Produktion; aber die Großfabriken sind einfach auf einen raschen und sicheren Absatz angewiesen. Und darum liegen sie vor den Warenhäusern auf den Knien. Ich kenne drei oder vier, die sich um sie reißen, die zu Verlusten bereit sind, um nur ihre Aufträge zu erhalten. Dann bringen sie diese Verluste bei kleineren Geschäften wie dem Ihrigen wieder herein. Jawohl, die kleineren Geschäfte sind es allein, an denen sie gewinnen … Gott weiß, wie das noch einmal ausgehen wird!«
    Denise hatte still zugehört. In ihrer unwillkürlichen Vorliebe für das Folgerichtige und Lebenskräftige war sie insgeheim für die großen Kaufhäuser. Endlich wagte sie zu bemerken:
    »Aber das Publikum ist doch zufrieden.«
    Nun ging die Auseinandersetzung erst richtig los. Gewiß, meinten sie, war die Kundschaft zufrieden; schließlich war sie es, die von den niedrigen Preisen den Vorteil hatte. Allein es mußte doch jeder leben; wo käme man da hin, wenn unter dem Vorwand des Nutzens für die Allgemeinheit der Käufer auf Kosten des Herstellers gemästet werden sollte? Denise dagegen meinte, die Entwicklung sei doch ganz natürlich und gar nicht aufzuhalten: Die vielen Mittelspersonen, die

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