Das Paradies der Damen - 11
Vertreter, die Aufkäufer würden verschwinden, was sein Teil zur Verbilligung der Waren beitragen werde; überdies könnten die Fabriken ohne die großen Warenhäuser längst nicht mehr existieren.
»Sie stehen also auf Seiten derer, die Sie zur Tür hinausgeworfen haben?« fragte Gaujean.
Denise errötete tief; sie war selbst überrascht über die Lebhaftigkeit ihrer Verteidigung.
»Mein Gott, nein«, sagte sie dann, »ich habe vielleicht unrecht, Sie verstehen es gewiß besser … Ich habe nur so gesagt, was ich darüber denke. Während früher die Preise von fünfzig Häusern gemacht wurden, werden sie heute von vier oder fünfen bestimmt, die sie dank ihrem Kapital und ihrer großen Kundschaft herabgesetzt haben, und das kommt dem Publikum zugute.«
Robineau war keineswegs erzürnt. Er war nur ernst geworden und starrte auf das Tischtuch. Oft genug hatte er sich in Stunden nüchterner Erwägung gefragt, warum er diesem Zug der Zeit Widerstand leisten sollte. Aber Gaujean fing von neuem an.
»Das sind alles so Theorien … Sie müssen etwas gegen das >Pariser Glück< tun, dem diese Burschen ihren diesjährigen Erfolg verdanken; ich habe mich mit mehreren Kollegen in Lyon besprochen und mache Ihnen ein ungewöhnlich vorteilhaftes Angebot: eine schwarze Seide, die Sie zu fünf Franken fünfzig verkaufen können. Die drüben verkaufen die ihrige zu fünf Franken sechzig, nicht wahr? Das sind zehn Centimes weniger und genügt, Ihre Konkurrenten zu ruinieren.«
»Haben Sie ein Muster mitgebracht?« fragte Robineau, schon wieder mit funkelnden Augen.
Als Gaujean aus seiner Brieftasche ein kleines Stückchen Seide hervorholte, geriet er in ausgelassene Freude und rief entzückt:
»Aber die ist ja noch schöner als das >Pariser Glück
Frau Robineau teilte die allgemeine Begeisterung völlig und erklärte, die Seide sei großartig. Auch Denise glaubte an den Erfolg. So wurde das Ende der Mahlzeit sehr vergnügt. Man sprach laut und zuversichtlich, geradeso als läge das »Paradies der Damen« schon in den letzten Zügen. Gaujean setzte ihnen auseinander, welche ungeheuren Opfer er und seine Lyoner Kollegen sich auferlegen müßten, um solch einen prachtvollen Stoff so billig zu liefern. Aber sie hätten sich geschworen, die großen Warenhäuser zu vernichten, und wenn sie selbst dabei zugrunde gingen.
Beim Kaffee erschien mit einemmal Vinçard. Er sei nur im Vorübergehen hereingekommen, um seinem Nachfolger einen guten Tag zu wünschen, versicherte er.
»Famos«, rief er, die Seide befühlend. »Sie werden Ihre Konkurrenz ruinieren, darüber gibt es keinen Zweifel. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß Sie hier eine Goldgrube finden!«
Er erzählte weiter, daß er in Vincennes ein Restaurant eröffnen wolle. Das war ein alter Plan von ihm, und er hatte immer nur gefürchtet, sein Geschäft nicht rechtzeitig vor dem Zusammenbruch verkaufen zu können. Schon immer hatte er sein bißchen Geld in einem Wirtschaftszweig anlegen wollen, in dem er hoffte ungehindert betrügen zu können. Der Gedanke mit dem Restaurant war ihm beim Hochzeitsessen eines Vetters gekommen. Da hatten sie für das reinste Spülwasser, in dem ein paar Klöße herumschwammen, zehn Franken bezahlen müssen. Nun, und Leute, die essen und trinken wollten, gab es immer. Sein Gesicht strahlte vor Freude, daß es ihm gelungen war, den Eheleuten Robineau diesen Laden auf den Hals zu schwatzen, der ihn all sein Vermögen hätte kosten können.
»Was machen Ihre Schmerzen?« fragte Frau Robineau höflich.
»Wie, meine Schmerzen?« murmelte er erstaunt.
»Na, Ihr Rheumatismus, der Sie so plagte?«
Er erinnerte sich und errötete leicht.
»Oh ja, daran leide ich noch immer«, stotterte er, »aber die Landluft … Sie begreifen … Jedenfalls haben Sie ein glänzendes Geschäft gemacht. Wäre mein Rheumatismus nicht gewesen, so hätte ich mir hier in zehn Jahren zehntausend Franken Rente herausgewirtschaftet – auf Ehre!«
Vierzehn Tage später brach der Kampf zwischen Robineau und dem »Paradies der Damen« los. Er beschäftigte eine kurze Zeit ganz Paris. Robineau suchte seinen Feind mit dessen eigenen Waffen zu schlagen und hatte für seine Propaganda die Zeitungen in Anspruch genommen. Außerdem dekorierte er seine Auslagen mit aller Sorgfalt, er häufte wahre Berge der vielgerühmten Seide in seinen Schaufenstern auf, kündigte sie durch große weiße Plakate an, von denen sich in Riesenziffern der Preis von fünf Franken fünfzig Centimes abhob.
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