Das Paradies des August Engelhardt
eine Sau im Fieber. Außerdem wird er in einem Zelt liegen. Zuerst liegen sie immer in Zelten. Aber wenn sie bleiben, kommt später ein Haus. Leben sie lange genug, auch eine Schule, eine Handelsstation, Priester tauchen auf und Lehrer, die ihnen Kleider bringen und den Gott der Weißen und ihnen verbieten, viele Frauen zu haben, nachts zu tanzen, sich zu tätowieren, zu rauchen, Hunde zu essen und Schiffbrüchige. Sie sollen den Weg ihrer Vorfahren verlassen und dem Weg der Weißen folgen. Der Nachtwind raschelt in den Palmwedeln. Mit ihm kommt die stumme Geisterfrau, die den Kasuar verwandelt hat, man darf jetzt nicht laut reden, sonst wird sie eifersüchtig und stiehlt einem die Zunge.
Auf der anderen Seite der Insel ist der Strand weit und weiß im Licht des halb vollen Mondes, der in den alten Zeiten viel größer war, bevor die Menschen ihn in Stücke geschlagen und die beiden rotfedrigen Pentaung-Vögel den größten der Mondscherben wieder am Himmel befestigt haben. Das Meer liegt schwarz und lauernd, nie setzt einer von ihnen nachts auch nur den Fuß hinein, den Letzten, der das gewagt hat, sah man nicht wieder, aber das ist lange her, zur Zeit noch von Kabuas Vater ist das gewesen. Die Alten erzählen, dass die Korallenschlange ihn zur Hexenkolonie von Loulou gebracht hat, die nur nachts zum Leben erweckt wird. Sie bleiben stehen und versuchen die Witterung des Weißen aufzunehmen, aber nichts ist zu riechen außer der salzigen Luft. Außerdem ist hier nirgends ein Zelt. Die Mole liegt leer und dunkel. Dafür finden sie ein paar Nüsse, frisch geerntet, eine Schale aufgeschlagen, der Kern gegessen. Die Weißen essen keine Nüsse. Sie bringen ihre eigenen Früchte ins Land. Nüsse sind nur gut fürs Kopra. Dafür bezahlen sie. Aber nie essen sie Nüsse, schon weil sie nicht klettern können. Die Männer werden vorsichtiger. Vielleicht ist der Weiße doch nicht allein. Sie finden ihn ein paar Schritte weiter im Sand. Nicht in einem Zelt, nicht aufrecht stehend, Rohrstock an der Seite, bekleidet mit Tropenhelm und Anzug, sondern auf dem Rücken schlafend, breitbeinig, nackt. So haben sie nie einen Weißen gesehen. Sie suchen seine Kleider, aber da ist nichts, keine Ausrüstung, kein Seitengewehr, nur eine kleine eiserne Axt. Kabua steckt sie ein und betrachtet den Mann. Er ist nicht größer als sie, die Schenkel wund vom Stamm der Palme, aber immerhin, er hat sie erstiegen. Das hätte er gerne gesehen. Kabua zeigt mit der Spitze seines Speeres auf das blutverkrustete Glied des Weißen. Seine Männer kichern leise, der Weiße wälzt sich ein wenig, und sie verstummen, nur sein Glied wächst langsam und reckt sich ihnen entgegen, als ob Kabua es aufgeweckt hätte. Als es steht, begutachten sie es ausgiebig. Es ist klein, natürlich, wie kann es anders sein bei einem Weißen, andererseits, so klein auch wieder nicht, kleiner als das eigene natürlich, höchstens halb so groß, aber sie kennen einige Männer, die auch nicht mehr haben, und stoßen sich gegenseitig an, du bist einer von denen, he, wieso ich, schau her, es ist so dick, wie deines lang ist und überhaupt kommt es nicht darauf an, sondern ob man damit umgehen kann, was ist schließlich besser: Wenn ein Idiot eine große Trommel schlägt oder ein Zauberer eine kleine? Kabua hält die Axt des Mannes in der Hand und zögert. Vielleicht ist der Weiße kein Weißer. Er riecht nicht wie die anderen. Er schläft nackt. Er pflückt Nüsse. Vielleicht ist es besser, ihn am Leben zu lassen.
Er legt die Axt neben den Schlafenden und ruft seine Männer leise zurück. Sie sind enttäuscht, aber der Anführer hat entschieden. Heute Nacht werden sie ihn nicht schlachten. Etwas Seltsames ist um den Mann. Und was immer geschieht, mit ihm würden keine Priester kommen und keine Verbote.
Die nächsten Tage beobachten sie ihn aus der Ferne. Er klettert immer wieder auf Palmen. Lange sitzt er am Strand, die Beine verschränkt, die Hände auf den Knien. Manchmal schwimmt er im Meer. Steht auf dem Kopf. Sieht in den Himmel. Fängt einen Krebs und lässt ihn wieder frei. Hebt einen Stein auf und betrachtet ihn. Beobachtet den Balztanz der Paradiesvögel. Einmal schwimmt er weit raus, bis eine Seekuh kommt und ihn mit der breiten Schnauze anstößt und in flacheres Wasser drängt. Malt mit einem Palmwedel ein Zeichen in den Sand. Sammelt Muscheln. Immer geht er nackt.
Verschwindet die Sonne, legt er sich auf den Sand, noch immer nackt, macht nicht einmal ein Feuer und
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