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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Druckerei, korrigierte die Farben, die Fahnenabzüge, den Druck und kontrollierte, ob die Zeitschrift zu den Abonnenten und zu den öffentlichen Verkaufsstellen gelangte. All das machte ihm Spaß, und er widmete sich der Arbeit mit Begeisterung. Doch ihn langweilten die ständigen Treffen mit François Cardella und dessen Freunden von der Katholischen Partei, die die Zeitschrift finanzierten und ihn bezahlten.Ständig belästigten sie ihn mit Ratschlägen, die verkappte Befehle waren. Und sie erlaubten sich, ihm Vorwürfe zu machen, weil er in seiner Kritik an Gallet zu weit gegangen oder nicht vehement genug gewesen war. Manchmal hörte er ihnen resigniert zu, während er mit den Gedanken woanders war. Andere Male verlor er die Geduld, stieß Flüche aus, und zweimal bot er ihnen seinen Rücktritt an. Sie akzeptierten ihn nicht. Durch wen sollten ihn diese Witzfiguren ersetzen, die kaum fähig waren, einen Brief zustande zu bringen?
    So wäre sein Leben wer weiß wie lange weitergegangen, wenn ihm nicht Anfang 1901 seine körperlichen Beschwerden, die eine Zeitlang nachgelassen hatten, erneut zugesetzt hätten, und das grausamer denn je. In der Dämmerung eines Januartages in diesem ersten Jahr des neuen Jahrhunderts, als er im Haus François Cardellas in der Rue Bréa zu Gast war und ihm der Gastgeber eine Tasse Kaffee mit einem Schuß Brandy reichte, begann Pauls Herz verrückt zu spielen. Es klopfte rasch, rasend, und seine Brust hob und senkte sich wie ein Blasebalg. Er bekam kaum Luft. Die ganze Woche litt er unter Herzrasen, Röcheln, und zum Schluß erbrach er Blut, so daß er gezwungen war, das Hospital Vaiami aufzusuchen.
    »Und jetzt stellt sich raus, Doktor Lagrange, daß ich auch noch Herzprobleme habe?« sagte er zu dem Arzt, der ihn untersuchte.
    Der Arzt schüttelte den Kopf. Das war keine neue Krankheit, mein Freund. Es war dieselbe wie immer, die ihren unausweichlichen Lauf nahm. Wie zuvor seine Haut, sein Blut und seinen Kopf begann sie jetzt, sein Herz zu zerstören. Zwischen Januar und März 1901 mußte er dreimal ins Krankenhaus, jeweils für mehrere Tage und das letztemal für zwei Wochen. Im Vaiami behandelte man ihn gut, denn die meisten Ärzte, angefangen bei Doktor Lagrange, der das Hospital jetzt leitete, unterstützten Cardella in seiner Kampagne gegen die aus der Metropole gesandten Vertreter der Obrigkeit. Sie stellten ihm sogar eine Arbeitsplattezur Verfügung, damit er von seinem Bett aus die Nummern von Les Guêpes vorbereiten konnte.
    Diese erzwungenen Aufenthalte im Krankenhaus hatten jedoch eine unerwartete Folge. Er dachte viel nach und gelangte nach einer langen schlaflosen Nacht plötzlich zu einem Schluß: Du warst deine Tätigkeit leid, auch die Leute, für die du tätig warst. Du wolltest dich nicht für ein paar Schwachköpfe zu Tode arbeiten. Es war erbärmlich, soweit gesunken zu sein, du, der auf der Flucht vor dem Geld nach Tahiti gekommen war, der mit dem verrückten Holländer damals in Arles, als ihr euch noch gut vertrugt, davon geträumt hatte, hier ein kleines Eden der Freiheit und Schönheit, der schöpferischen Tätigkeit und des Genusses zu schaffen, ohne die Zwänge der europäischen Kultur des Geldes. Das Haus der Wonnen, nannte es Vincent! Wie seltsam und launisch war das Schicksal, Koke.
    Erinnertest du dich nicht mehr, Paul? Alles hatte vor anderthalb Jahren begonnen, nach deinem gescheiterten Selbstmordversuch, als du Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? maltest, das letzte deiner großen Werke. Es begannen Dinge aus der Hütte zu verschwinden – verschwanden sie, oder bildetest du dir das nur ein? –, und in deinem Kopf nahm die Gewißheit Gestalt an, daß die Diebe die Eingeborenen von Punaauia waren. Pau’ura sagte, das sei nicht wahr, du würdest träumen. Doch der wahnhafte Mechanismus setzte sich in Gang, unaufhaltsam. Du beharrtest darauf, daß das Gericht von Papeete den Dieben den Prozeß machte, und da die Richter sich vernünftigerweise weigerten, auf derart schwache Anschuldigungen hin rechtlich vorzugehen, schriebst du unerbittliche öffentliche Briefe voller Gift und Galle, in denen du die Kolonialverwaltung beschuldigtest, sich mit den Eingeborenen gegen die Franzosen zu verschwören. Auf diese Weise entstand Le Sourire (Journal méchant) , ein Blatt, dessen Häme die Siedler amüsierte. Sie kauften es voll Entzücken und schickten dir Glückwunschbilletts. Daraufhin besuchte dich Cardella persönlich und versprachdir das

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