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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Monsieur Gauguin (»in einem Akt außerordentlicher Kühnheit«) ausgewählt hatte, um sich zu begraben. Und das tat er. Seine Freundschaft und seine Ratschläge waren unschätzbar für Paul. Vom Hafen aus führte er ihn zu einer Unterkunft am Ende der einzigen, ungepflasterten, vom Gestrüpp halb überwucherten Straße, aus der Atuona bestand, zur Hütte Matikanas, eines Maori-Chinesen, der sein Freund war und Pensionsgäste aufnahm. Er selbst verwahrte Kokes Reisetruhen und Koffer in seinem eigenen Haus, während dieser sich nach einem Stück Land umsah und sein Wohnhaus errichtete.Und er stellte ihm diejenigen vor, die von nun an seine Freunde in Atuona sein würden: den Nordamerikaner Ben Varney, einen ehemaligen Walfänger, der im Rausch in Hiva Oa gestrandet war, wo er den Kaufladen betrieb, und den Bretonen Emile Frébault, Bauer, Kaufmann, Fischer und unermüdlicher Schachspieler.
    Ein Grundstück in diesem winzigen, von Wäldern umgebenen Ort zu kaufen erwies sich als sehr schwierig. Das gesamte Land des Kreises gehörte dem Bistum, und der schreckliche Bischof Joseph Martin, ein autoritärer, unbeugsamer Mann, der einen eifrigen Kampf führte, um die einheimische Bevölkerung vor dem Laster des Alkohols zu retten, das sie in ihrem Bestand bedrohte, würde niemals einem Fremden von zweifelhafter Tugend Land verkaufen.
    In strenger Befolgung der Strategie, die Ky Dong für ihn entworfen hatte – dessen Belesenheit, guter Laune und geistiger Eleganz er sehr angenehme Momente verdankte –, verwandelte Paul sich am Tag nach seiner Ankunft in Atuona in einen Katholiken, der täglich die Messe hörte. In der Kirche sah man ihn stets in der ersten Reihe, von wo aus er mit Inbrunst dem Gottesdienst beiwohnte, und er ging häufig zur Beichte und empfing die heilige Kommunion. An manchen Nachmittagen fand er sich auch zum Rosenkranzgebet ein. Seine Frömmigkeit und sein untadeliges Verhalten in diesen ersten Tagen in Hiva Oa überzeugten Monseigneur Joseph Martin davon, daß er ein achtbarer Mensch war. Und so erklärte sich der Bischof bereit – eine Geste, die er bitter bereuen sollte –, ihm für eine bescheidene Summe ein schönes Stück Land am Rand von Atuona zu verkaufen. Hinter dem Grundstück befand sich die Bucht der Verräter, ein Name, den die Marquesaner verabscheuten, aber dennoch benutzten, um den Strand und den Anlegeplatz zu bezeichnen, und vor ihm lagen die beiden prachtvollen Gipfel des Temetiu und des Feani. Daneben floß der Make Make, einer der etwa zwanzig Bäche, in die sich die Wasserfälle der Insel ergossen. Als er das grandioseSchauspiel zum ersten Mal erlebte, mußte er an Vincent denken. Mein Gott, das war es, Koke, das war es. Das war der Ort, von dem der verrückte Holländer damals in Arles geträumt hatte. Die ursprüngliche, tropische Landschaft, von der er pausenlos geredet hatte in jenem Herbst, den sie 1888 gemeinsam verbrachten, die Landschaft, in der er das Atelier des Südens errichten wollte, diese Gemeinschaft von Künstlern, deren Meister du sein solltest und in der alles allen gehören würde, weil das korrumpierende Geld abgeschafft wäre. Ein Ort, an dem die Künstlergruppe in einem einzigartigen Rahmen aus Freiheit und Schönheit der Aufgabe leben würde, eine unvergängliche Kunst zu schaffen, Bilder und Skulpturen, dazu bestimmt, in ihrer Lebendigkeit die Jahrhunderte unbeschadet zu überdauern. Was für Begeisterungsschreie würdest du ausstoßen, Vincent, wenn du dieses Licht sehen könntest, gleißender noch als das der Provence, diese Explosion von Bougainvilleen, Farnen, Akazien, Kokospalmen, Kletterpflanzen und Brotbäumen, die Koke wie geblendet betrachtete.
    Kaum hatte Paul den Kaufvertrag mit dem Bistum unterschrieben und war Besitzer des Grundstückes, vergaß er die Messen und Rosenkranzgebete und widmete sich trotz des ständigen Kampfes gegen die wachsenden körperlichen Beschwerden – Schmerzen in den Beinen und im Rücken, Schwierigkeiten beim Gehen, ein täglich nachlassendes Sehvermögen und Herzrasen, das ihm die Luft abschnürte – mit Leib und Seele dem Bau von La Maison du Jouir , wie er und der verrückte Holländer in ihren Phantasien vor fünfzehn Jahren in Arles dieses imaginäre Atelier des Südens getauft hatten. Dabei halfen ihm und arbeiteten an seiner Seite Ky Dong, Emile Frébault, ein Eingeborener mit weißem Bart namens Tioka, der fortan sein Nachbar sein würde, und sogar der Gendarm der Insel, Désiré Charpillet, mit dem sich

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