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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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warst, war er doch die erste Person, der du deine Schrift Über die Notwendigkeit, den Ausländerinnen einen guten Empfang zu bereiten schicktest, begleitet von schwärmerischen Worten, mit denen du ihm deine Mitarbeit anbotest: »Sie, Meister, werden in mir eine Kraft finden, die ihresgleichen sucht bei meinen Geschlechtsgenossinnen, ein dringendes Bedürfnis, Gutes zu tun.« Und zu deiner Überraschung erschien der noble, feine alte Herr mit seinem perfekt gebügelten Gehrock und seinen gütigen hellen Augen persönlich in der Nummer 42 der Rue du Cherche-Midi, um dir für das Buch zu danken und dich zu deinen erneuernden Ideen und deinem Gerechtigkeitssinn zu beglückwünschen. Einer der glücklichsten Tage deines Lebens, Florita!
    Du hattest große Schwierigkeiten, einige seiner Theorien zu verstehen (daß es analog zu der von Newton entdeckten Ordnung des physischen Universums eine soziale Ordnung gab, zum Beispiel, oder daß die Menschheit acht Stadien der Wildheit und Barbarei durchlief, bevor sie die Harmonie und damit das Glück erreichen würde), studiertest Die Theorie der vier Bewegungsformen und der allgemeinenBestimmungen , Die neue sozialistische Welt der Arbeit und zahllose Artikel, die in La Phalange und anderen fourieristischen Publikationen erschienen waren. Doch es war vor allem er, es war der Glanz sittlicher Lauterkeit, der von seiner Person ausging, die Genügsamkeit seines Lebens – er lebte allein, in einer mit Büchern und Papieren vollgestopften bescheidenen kleinen Wohnung der Rue de Saint-Pierre in Montmartre, in die du ihm einmal eine Sanduhr als Geschenk brachtest –, seine Güte, seine Abscheu vor jeder Art von Gewalt und sein felsenfestes Vertrauen in den guten Kern der Menschen, die dir in jenen Jahren das Gefühl gaben, Schülerin dieses großzügigen Weisen zu sein. Fourier war ebenfalls gegen die Ehe und glaubte wie du, daß diese unglückselige Institution die Frau zu einem Objekt ohne Würde, ohne Freiheit machte. Seine Theorie über die Organisation der Welt in Phalanstères , Einheiten von jeweils vierhundert Familien ohne Ausbeuter und Ausgebeutete, wo die Arbeit und ihre Früchte bei vollkommenster Gleichheit zwischen Männern und Frauen gerecht verteilt und die unangenehmen Tätigkeiten mehr und die angenehmeren weniger entlohnt würden, faszinierte dich am Anfang. Diese Lehre gab deinem Streben nach Gerechtigkeit für die Menschheit eine konkrete Form.
    Doch du konntest dich nie mit den Aspekten der Fourierschen Philosophie anfreunden, die sich auf die Sexualität bezogen. War es deine Schuld? Das glaubte Olympe. Du konntest die altruistischen Absichten des Meisters verstehen: Niemand sollte wegen seiner Laster oder Manien aus der Gesellschaft, vom Glück ausgeschlossen werden. Gut und schön. Aber war es durchführbar, Phalanstères nach sexuellen Vorlieben zu bilden, die Homosexuellen, die Lesbierinnen, diejenigen, die Lust durch Erleiden oder Zufügen von Schmerz empfanden, die Voyeure und die Onanisten in kleinen Enklaven zusammenzufassen, wo sie sich normal fühlen könnten? Obwohl du keine Argumente gegen diese These anzuführen wußtest, ließ dir der bloßeGedanke daran die Röte ins Gesicht steigen. Und du glaubtest, daß der Vorschlag viel zu verwegen war, um realistisch zu sein. Außerdem machte es dich schaudern, wenn du dir das Leben in diesen Phalanstères sexueller Exzentriker vorstelltest, die praktizierten, was der Meister Fourier »die edle Orgie« nannte. Olympe hatte recht, wenn sie dich bei euren Spielen im Bett vor Scham erröten ließ mit ihren Launen: »Du bist eine Puritanerin, Florita, eine weltliche Nonne.«
    Natürlich teiltest du Fouriers Aussage, daß die Zivilisation in direktem Verhältnis zum Grad der Unabhängigkeit der Frauen stehe. Andere Behauptungen von ihm verwirrten dich dagegen. Zum Beispiel die Gewißheit des alten Mannes, daß die Welt genau achtzigtausend Jahre dauern und daß in dieser Zeit jede Seele achthundertzehnmal zwischen der Erde und anderen Planeten hin und her wandern und tausendsechshundertsechsundzwanzig Existenzen haben würde. War das nicht dem Aberglauben näher als der Wissenschaft?
    Andererseits krampfte sich dein Herz zusammen, wenn du sahst oder besser gesagt dir vorstelltest, wie der alte weise Mann sich jeden Mittag hastig in einem der kleinen Cafés am Palais Royal erhob, wo er schrieb und las, und den Hügel von Montmartre hinaufstieg, zu seiner bescheidenen Wohnung in der Rue de Saint-Pierre, um, wie er

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