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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Sie kauften einige Bücher und fanden sich bereit, ein Komitee mit fünf Mitgliedern zu gründen – darunter eine Frau –, das die Bewegung in Montpellierpropagieren sollte. Und sie erzählten Flora Dinge, die sie überraschten. Hinter dem äußeren Schein einer wohlhabenden bürgerlichen Stadt sei Montpellier ein Pulverfaß. Es gebe keine Arbeit, und viele Arbeitslose zögen trotz des Verbots der Obrigkeit durch die Straßen, wo sie die Kutschen und Häuser der zahlreichen Reichen der Stadt bisweilen mit Steinen bewarfen.
    »Wenn wir uns nicht beeilen und die Situation mit Hilfe der Arbeiterunion friedlich bewältigen, dann wird Frankreich oder womöglich ganz Europa explodieren«, erklärte Flora am Ende der Versammlung. »Das Blutbad wird schrecklich sein! Also Hand ans Werk, meine Freunde!«
    Im Unterschied zu den ersten Tagen in Montpellier, in denen sie sich ausgeruht hatte, waren die letzten drei bis zum Rand mit Aktivitäten gefüllt, dank des homöopathischen Präparats von Doktor Amador, das sie euphorisch stimmte und ihr das Gefühl gab, voller Energie zu sein. Sie versuchte erfolglos, das Gefängnis zu besichtigen, und klapperte die Buchhandlungen ab, in denen sie Exemplare von L’Union Ouvrière hinterließ. Zum Schluß traf sie sich mit etwa zwanzig örtlichen Fourieristen. Sie enttäuschten sie, wie immer. Es waren Angehörige gehobener Berufe und Bürokraten, unfähig, von der Theorie zur Praxis überzugehen, voll angeborenen Mißtrauens gegenüber den Arbeitern, in denen sie eine Gefahr für ihre bürgerliche Ruhe zu sehen schienen. Als die Reihe an die Fragen kam, gelang es einem Anwalt, Maître Saissac, sie aus der Fassung zu bringen, als er ihr vorhielt, sie würde »die Aufgaben der Frau überschreiten, die niemals die Sorge um das Heim für die Politik aufgeben darf«. Der Anwalt war beleidigt, als sie ihn einen »Steinzeitmenschen, unreifen Staatsbürger, sozialen Höhlenbewohner« nannte.
    Maître Saissac hatte etwas von dem pergamentartigen, gelblichen, durch Not, Bitterkeit und Groll gealterten Gesicht André Chazals. Diesen mußte Flora in jenen Jahren mehrmals sehen, mußte mit ihm einen Krieg ausfechten, von dem ihr als Erinnerung die Kugel in der Brust gebliebenwar, die Doktor Récamier und Doktor Lisfranc ihr nicht hatten entfernen können. Zwischen 1835 und 1837 hatte Chazal die arme Aline dreimal (Ernest-Camille zweimal) entführt und das Mädchen zu dem traurigen, melancholischen und gehemmten Wesen gemacht, das sie jetzt war. Und jedesmal gaben die alptraumhaften Gerichte, an die Flora sich wenden mußte, um das Sorgerecht für ihre beiden Kinder zu fordern, ihm recht, obwohl er ein Nichtstuer, ein Alkoholiker, ein perverser, degenerierter Mann, ein armer Teufel war, der in einem elenden, übelriechenden Quartier lebte, wo die beiden Kinder nur eine würdelose Existenz führen konnten. Und warum? Weil André Chazal der Ehemann war, weil er die Befugnisse und Rechte besaß, mochte er auch ein menschlicher Abschaum sein, imstande, sich an seiner eigenen Tochter zu vergehen. Du dagegen, die es durch eigene Anstrengung geschafft hatte, sich zu bilden, Bücher zu publizieren und ein anständiges Leben zu führen, die in der Lage gewesen wäre, diesen beiden Kindern eine gute Erziehung und ein sicheres Leben zu bieten, du warst immer schlecht angesehen bei den Richtern, für die jede unabhängige Frau eine Hure war. Elendes Pack!
    Wie hattest du es fertiggebracht, Florita, in diesen hektischen Jahren nicht nur vor den Gerichten und auf der Straße mit André Chazal zu streiten, sondern auch noch die Fahrten einer Paria zu schreiben? Die Erinnerungen an deine Reise nach Peru erschienen in zwei Bänden Anfang 1838 in Paris und machten dich in wenigen Wochen in den intellektuellen und literarischen Kreisen Frankreichs bekannt. Du hattest sie dank dieser unbezähmbaren Kraft geschrieben, die dir erst jetzt, in den letzten Monaten, während dieser Reise, zu schwinden begann.
    Dieses Buch entstand im ständigen, hektischen Hin und Her zwischen Kommissariaten, Untersuchungsrichtern und polizeilichen Vorladungen, bei denen es immer wieder darum ging, auf die abwegigen Anschuldigungen Chazals zu antworten, der – er selbst gestand es vor dem Gericht,das ihm wegen Mordversuch den Prozeß machte – dir nicht so sehr das Sorgerecht für die Kinder nehmen, sondern sich vielmehr rächen wollte, sich an dieser dreisten Person rächen wollte, die, obwohl vor dem Gesetz seine Frau, es gewagt hatte,

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