Das Paradies ist woanders! (German Edition)
daraufhin den Kopf.
Der Arzt sieht ihn jetzt wieder an, wartet ab, was der Junge ihm mitteilen will.
„Ich habe eine Einladung erhalten. Juarez-Kartell, denke ich. Zumindest gehören die Kerle, die mich heute angesprochen haben, zu denen. Heute Nacht soll ich mich mit ihnen treffen, auf dem Hof. Was kann ich nur tun? Es ist streng verboten. Wenn man mich erwischt, verbringe ich die nächsten Tage genauso in der Sonne, wie die Männer, die man heute dort angebunden hat. Oder ...“, hier gerät er kurz ins Stocken, er schluckt einmal schwer, bevor er weitersprechen kann, „ ... oder, ich mache nochmals Bekanntschaft mit dem Rohrstock. Auch nichts, was ich unbedingt wiederholen möchte.
Wenn ich mich allerdings weigere zu kommen, habe ich wahrscheinlich bald ein Messer zwischen den Rippen, oder irre ich mich da?“
Rodriguez sieht ihn ernst an. Er scheint nachzudenken, es dauert eine Weile, bevor er sich einmal räuspert.
„Nun, das ist doch das, worauf wir bereits seit Wochen warten, mein Junge. Ich denke, diese Einladung kannst du nicht ablehnen.
Wenn man dich dabei in eine Falle locken will, oder auf eine Probe stellt, dann wirst du die Strafe eben in Kauf nehmen müssen. Ist in diesem Fall nicht zu ändern. Mach dir nicht zu große Sorgen deswegen. Immerhin bin es ich, der die Entscheidung darüber trifft, ob man eine Strafmaßnahme beenden muss, oder nicht. Du wirst also ganz sicher nicht daran zugrunde gehen. Auch unsere Direktorin wird nicht riskieren, dass einer ihrer Gefangenen dabei ums Leben kommt. Alles schlecht für ihr Image. Sie will doch Gouverneurin werden, musst du wissen. Sie wird somit alles daran setzten, dass keiner der ihr anvertrauten Menschen zu Schaden kommt. Und, falls es dich beruhigt ... , ich habe sie, nachdem man dich verprügelt hat, dezent darauf hingewiesen, dass diese Art von Strafe zu hart ist, dass dabei die Gefahr besteht, dass jemand ernsthaft verletzt wird.
Sie hat zumindest eingewilligt, mit den Aufsehern darüber zu sprechen. Wahrscheinlich wird es sich also nicht wiederholen, mein Junge.“
Joshua schluckt einmal schwer. Das was der Arzt mir da mitteilt tröstet mich nur wenig. Ein ganzer Tag am Pfahl, in der Sonne, ist auch nicht das, was ich erleben möchte. Selbst wenn ich darauf vertrauen kann, dass mich Doktor Rodriguez vor dem Schlimmsten bewahren wird. Aber ich habe keine wirkliche Wahl.
Mittag des nächsten Tages
Noch ist er sich nicht ganz klar darüber, ob man ihm wissentlich eine Falle gestellt hat oder ob alles nur ein dummer Zufall ist. Zumindest habe ich jetzt sehr viel Zeit, darüber nachzudenken. Auch wenn es dazu eigentlich viel zu warm ist . Man hat ihn, natürlich, bereits nach wenigen Metern geschnappt, kurz nachdem er den Schlafsaal durch eine Seitentür verlassen hat. Die Wachleute haben nicht viel zu ihm gesagt, ihn nur am Arm gepackt und zu einem der Pfähle gezerrt, die sich auf dem Platz befinden. Er musste sich bis auf die Unterhose ausziehen, dann wurde er mit Handschellen dort festgebunden.
Inzwischen hat er sich auf den Boden gesetzt, aber auch das ist nicht wirklich bequem, wenn die Arme hinter dem Pfahl zusammengebunden sind.
Ich spüre meine Hände kaum noch, wahrscheinlich sind sie wenig durchblutet, die Fesseln sitzen diesmal sehr straff. Bestimmt hat der Wachmann das mit Absicht getan ... , vielleicht als versteckte Rache dafür, dass er nun einen Bericht über den Vorfall verfassen muss.
Wie lange befindet ich mich jetzt bereits hier? Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Es wird etwa Mittag sein, dem Stand der Sonne nach. Also sind es inzwischen ungefähr zehn Stunden am Pfahl . Joshua seufzt einmal leise.
Der Doc hat gut reden, schließlich ist es nicht er, der hier auf dem Hof ausharren muss. Ich kann nur hoffen, dass Rodriguez bald ein Einsehen hat, und mich befreit. Aber davon hat er, genau genommen, nicht gesprochen. Nur davon, dass er verhindern wird, dass ich hier zugrunde geht. Aber wie lange kann man so etwas wohl aushalten, ohne zugrunde zu gehen? Er kann keinen klaren Gedanken mehr fassen, versucht statt dessen, ein wenig zu dösen. Vielleicht vergeht auf diese Weise die Zeit etwas schneller.
Doktor Rodriguez hat von seinem Behandlungszimmer den Platz im Blick. Er kann sehen, dass es dem Jungen nicht besonders gut geht, dort draußen. Aber es geht ihm auch noch nicht so schlecht, dass ich aus medizinischen Gründen einschreiten müsste . Es schmerzt mich, ihn leiden zu sehen, aber noch ist es zu früh,
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