Das Paradies liegt in Afrika
Haut leicht gebräunt, man sah genau, dass sich die junge Frau viel im Freien aufhielt.
»Ich bin ja so aufgeregt«, gestand Charlotte, als sie ein wenig von ihrem Kaffee verschüttete. »Ob Peter Dielburg auch geladen sein wird?«
»Das denke ich schon. Er hat einige einflussreiche Freunde in der Stadt.« Karoline drückte die Hand ihrer Tochter. »Und falls er nicht geladen ist, wird er es sicher einzurichten wissen, in deine Nähe zu gelangen.«
»Mama!« Charlotte errötete.
»Deine Mutter hat recht.« David lächelte der jungen Frau zu. »Wenn man liebt, ist kein Hindernis zu groÃ.«
»Welch sinnige Erkenntnis! Und das aus deinem Mund!« Victor kam, auf zwei Krücken gestützt, auf die Terrasse. Mühsam nahm er Platz.
»Warum hast du deine Prothese nicht angelegt?«, erkundigte sich Charlotte. »Wir wollen doch gleich in die Stadt fahren.«
»Fahrt ohne mich. Ich bleibe hier.« Victor nahm sich Brot und etwas Käse. »Ein Krüppel wäre euch nur hinderlich.«
»Du sollst so etwas nicht sagen!«, rügte Karoline. »Du hast ein Bein verloren, wohl wahr. Aber alles andere ist vorhanden â dein Verstand vor allem. Du besitzt Wissen, das für viele Menschen in diesem Land von Bedeutung ist. Du hast fertig studiert, hast ein Jahr im Krankenhaus gearbeitet. Warum â¦Â«
»Du weiÃt, warum ich das nicht mehr mache«, fiel er ihr ins Wort. »Und jetzt bitte ich dich â lass mich in Ruhe frühstücken.« Hastig trank er seinen Kaffee aus, dann stand er auf. »GenieÃt den Aufenthalt in der Stadt und amüsiert euch.« Er warf David einen hasserfüllten Blick zu. »Sei nur vorsichtig mit deiner Begleitung, Mutter.«
Karoline sprang auf, doch noch bevor sie etwas sagen konnte, legte ihr David die Hand auf den Arm.
»Es gibt Defizite, die sind schlimmer als ein fehlendes Bein«, sagte Charlotte. »Darüber solltest du einmal nachdenken, Bruder.«
Victor zuckte nur mit den Schultern, dann ging er, auf die Krücken gestützt, zurück ins Haus.
»Er ist unverschämt. Und unbelehrbar. Wenn ich nur wüsste, warum er sich so vehement gegen dich stellt, David.« Karoline tupfte sich über die Augen. Alles, wirklich alles hatte sie versucht, um das Verhältnis zwischen den beiden Männern zu verbessern. Doch Victor lehnte den Kellermeister, der so viel für Hopeland getan hatte und den seine Mutter liebte, nach wie vor ab.
»Er ist eben ein Rassist.« David Bernhard stand auf. »Wir werden es ertragen müssen.«
»Nein, das stimmt nicht!« Charlotte schüttelte den Kopf. »Ich glaube eher, dass er ein Ventil für sein Unglück sucht. Der Grund ist, da bin ich sicher, diese Krankenschwester, an die er sein Herz gehängt hat. Aber sie muss ihn zutiefst verletzt haben. Nicht umsonst hat er Hals über Kopf die Klinikarbeit niedergelegt. Er ist verbittert, aber auch verzweifelt. Er tut mir so leid!«
Karoline nickte ihrer Tochter zu. »Du magst recht haben. Und doch ist sein Verhalten kränkend. Ich ⦠ich weià nicht, wie lange ich es noch ertragen kann.«
Victor, der hinter der doppelflügeligen Tür lehnte, biss sich auf die Lippen, bis er Blut schmeckte. Er schämte sich für sein Betragen â und konnte doch nicht dagegen an. Dass seine Mutter und David sich so innig zugetan waren, dass ihre Liebe alle Widrigkeiten überdauerte, machte ihn eifersüchtig. Das Wissen, dass er selbst noch nie so geliebt worden war, nagte an ihm. Nie, da war Victor Ruhland sich sicher, würde er eine Frau finden. Wer wollte schon einen Krüppel?
Die Szene vor zwei Jahren, die Stunde, in der all seine Zukunftshoffnungen zerstört worden waren, stand wieder vor seinem geistigen Auge. Oft, wenn er des Nachts wach lag und ihn die Phantomschmerzen plagten, sah er Silvana vor sich. Langes schwarzes Haar umrahmte das herzförmige Gesicht. GroÃe dunkle Augen konkurrierten in ihrer Schönheit mit dem roten Mund, den er so gern geküsst hätte.
Silvana hatte ihm mit vielen Gesten gezeigt, dass sie sein Werben guthieÃ, dass es sie freute, wenn er in ihrer Nähe war. Und dann, einen Tag nachdem er seinen Doktortitel errungen hatte, ging er zu ihr. Sie bewohnte zwei kleine möblierte Zimmer in der Nähe der Klinik.
Victor erstand ein Rosenbouquet und einen schmalen goldenen Ring. Lächelnd empfing ihn
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