Das Paradies liegt in Afrika
Silvana. »Sie verstehen zu überraschen, lieber Victor«, sagte sie. »Kommen Sie doch herein und trinken Sie einen Tee mit mir.«
»Gern. Aber erst â¦Â« Er zögerte, dann reichte er ihr die Blumen. »Silvana, es muss gesagt werden. Sie ahnen gewiss schon, was mir auf dem Herzen brennt. Seit ich Sie kenne, seit Sie mir mit so viel Freundlichkeit entgegengekommen sind â¦Â« Sekundenlang hielt er inne, doch da sie nichts sagte, wagte er es, weiterzusprechen. »Silvana, ich liebe Sie über alles. Wollen Sie meine Frau werden?«
Stille erfüllte für eine Weile den kleinen Raum. Stille, die plötzlich von Silvanas Lachen unterbrochen wurde. »Ich â Sie heiraten?« Sie legte die Blumen auf einen kleinen Tisch am Fenster, dann sah sie Victor mit einem so kalten Blick an, dass er taumelte. Der Stock, den er brauchte, wenn er seine Holzprothese anhatte, fiel zu Boden. Silvana zeigte mit dem Finger darauf, als sie fortfuhr: »Nein, Victor, das kann nicht Ihr Ernst sein! Ich mag Sie, wirklich, Sie sind ein guter Arzt, und es ist angenehm, sich in langen Nachtdiensten mit Ihnen zu unterhalten. Aber ich kann mir nicht vorstellen â¦Â« Sie wies auf sein Holzbein. »Nein, ich mag es mir nicht vorstellen, mit Ihnen das Bett zu teilen.«
Jeder Blutstropfen wich aus seinem Gesicht. Nur mit Mühe gelang es ihm, aufrecht stehen zu bleiben. »Schon gut. Vergessen Sie alles, was ich gesagt habe.«
Gerade wollte er sich nach seinem Stock bücken, als aus dem Nebenzimmer ein Mann kam â Dr. Bertram Werlinghouse. GroÃ, breitschultrig, mit vollem dunklen Haar. Er trug nur Hose und Unterhemd. Mit zwei Schritten war Silvana bei ihm und schmiegte sich an ihn â eine Geste, die mehr sagte als alle Worte.
Hämisch grinsend hob Bertram Werlinghouse den Stock auf und reichte ihn Victor. »Sie sollten sich nicht in die Kreise Ihrer Vorgesetzten begeben, Ruhland«, sagte er ironisch lächelnd. »Das tut Ihnen nicht gut.«
Noch heute wusste Victor nicht, wie er aus dem Haus gekommen war. Scham, Zorn, Selbstmitleid und eine unendliche Traurigkeit hatten ihn erfasst.
An diesem Tag beschloss er, die Klinik zu verlassen und nicht mehr als Arzt zu arbeiten.
5
E ine Kutsche nach der anderen fuhr durch die Government Avenue, sie hielten vor dem Houses of Parlament , einem repräsentativen Neubau im viktorianischen Stil. Elegant gekleidete Paare betraten das Gebäude, das in einer Stunde mit einem Festakt eingeweiht werden sollte.
Karoline und Charlotte saÃen in einer Kutsche, die von zwei wunderschönen Rappen gezogen wurde. Pandu hielt die Zügel in Händen, während David Bernhard den beiden Damen galant aus der Kutsche half. Beide waren sehr elegant gekleidet; Karoline trug ein nachtblaues Seidenensemble, das am Kragen und an den Ãrmelenden mit weiÃem Hermelin abgesetzt war. Der neuen Mode entsprechend war das Kleid körpernah geschnitten, nur eine Tornüre aus Fischbein bauschte den Rock unterhalb der Taille auf, er endete in einer kleinen Schleppe, die aus siebenfach getäfeltem Taft bestand. Das Haar hatte sie zu einem Chignon geschlungen, an den Seiten wurde es mit dünnen Nadeln hochgesteckt. Als Kopfschmuck hatte sie einen schmalen Reif aus Seide, an dem einige Marabufedern befestigt waren, gewählt.
Charlotte, in einem apricotfarbenen Kleid aus Atlasseide, sah sich unauffällig um. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie den Mann bemerkte, der hinter einer der Säulen auftauchte und ihr rasch entgegenkam. »Meine Damen, ich freue mich, Sie hier zu treffen.« Peter Dielburg beugte sich erst über Karolines Hand, dann nahm er zärtlich Charlottes Finger in seine Rechte.
Karoline lächelte. »Ein charmanter Zufall, das denke ich auch.« Sie wandte sich an ihre Tochter. »Geht schon vor bitte. Ich will schauen, wo David bleibt.«
Charlotte lieà es nur zu gern zu, dass der junge Deutsche ihren Arm nahm. »Ich habe es extra so eingerichtet, dass ich heute hier sein kann.« Sein Blick war eine einzige Liebkosung. »Freuen Sie sich ein wenig, Miss Ruhland?«
Charlotte sah ihn offen an. Eine sachte Röte färbte ihre Wangen, als sie eingestand: »Es freut mich sogar sehr, lieber Peter.«
»Charlotte!« Er zog ihre Hand erneut an die Lippen. Langsam schlenderten sie zum Eingang. Erst als sie das Haus schon betreten hatten, sah sich Charlotte suchend um.
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