Das Paradies liegt in Afrika
»Wo bleiben meine Mutter und David?«
Auf halbem Weg zum Parlamentsgebäude waren zwei ältere Männer Karoline und David entgegengetreten. Einer von ihnen, stämmig und mit stechendem Blick, stellte sich dem Kellermeister in den Weg. Der andere, ein kapholländischer Geschäftsmann, der seit Jahren Wein von Gut Hopeland bezog, sah David geringschätzig an. »Sie werden es doch wohl nicht wagen, zu dieser Feierstunde zu gehen? Ein Mann Ihrer Herkunft â unmöglich!« Er winkte einen Wachmann herbei. »Lassen Sie sich von dem Kerl seinen Ausweis zeigen.«
»Mister Cornelson! Ich bitte Sie!« Empört sah Karoline den glatzköpfigen Mann an.
»Um was wollen Sie mich bitten, Missis Ruhland? Um Toleranz einem Schwarzen gegenüber? Meine Liebe, es ist unverschämt von Ihnen, die gesellschaftlichen Grenzen zu ignorieren. Aber bitte, wenn Sie sich mit einem solchen Menschen gemeinmachen wollen â¦Â«
»Mit Mister Bernhard gern. Mit Ihnen allerdings nicht mehr.« Karoline warf den Kopf in den Nacken. »Ich möchte Sie bitten, sich einen anderen Weinhändler zu suchen. Von mir bekommen Sie keinen Tropfen mehr!« Dann lächelte sie David zu. »Komm, Lieber, in dieser Gesellschaft wird mir übel.«
6
R ebläuse! Wir haben Rebläuse im südlichen Hang und auch bereits auf den beiden Hügeln im Osten.« Kimani stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Ohne anzuklopfen, war er in Karolines Arbeitszimmer gestürzt, hielt einen halbvertrockneten Rebstock in der Hand und deutete auf das Wurzelwerk.
»Nein!« Alles Blut wich aus Karolines Gesicht. Sie stützte sich mit beiden Händen auf der Schreibtischplatte ab, als sie sich langsam erhob und das Wurzelwerk genauer untersuchte. »Du bist dir ganz sicher, Kimani, ja?«
»Ja. Ich habe Mister David gefragt, er meint es auch.«
»Wo ist Mister David?«
»Am östlichen Hügel. Da, wo wir die neuen Anpflanzungen vorgenommen haben.« Er zögerte, dann fuhr er leise fort: »Die meisten Stöcke sind schon welk. Diese Viecher ⦠sie haben ganze Arbeit geleistet.«
»Habt ihr das denn nicht schon früher gemerkt?«
Der alte Gutsverwalter senkte den Kopf. »Das Bewässerungssystem funktioniert, alles war in Ordnung. Erst vor drei Tagen ist mir aufgefallen, dass einige Stöcke dennoch vertrocknet sind.«
»Wie konnte das nur passieren?« Karoline war verzweifelt. »Kimani, was können wir tun?«
Der alte Mann zuckte mit den Schultern. »Sie wissen es doch genauso gut wie ich, Missis Ruhland â gegen die Rebläuse gibt es kein Mittel. Die verfluchten Viecher sitzen nur ein paar Tage lang an den Blättern, den meisten Schaden richten sie im Boden an, wenn sie die Wurzeln anfressen und so die Pflanze daran hindern, Wasser aufzunehmen.«
Karoline ging zur Tür. »Ich komme gleich raus und sehe mir alles selbst an, Kimani. Ich will mich nur kurz umziehen.«
Schon zehn Minuten später ritt sie hinüber zum östlich gelegenen Hang, an dem erst vor kurzem neue Stöcke gepflanzt worden waren. David Bernhard stand, von drei schwarzen Arbeitern umringt, vor einem Haufen ausgerissener Reben.
Als er Karoline bemerkte, kam er auf sie zu und half ihr beim Absitzen.
»Sind es wirklich Rebläuse?« Sie ging hinüber zu dem Hügel aus verdorrten Rebstöcken und nahm einen von ihnen auf. Die Wurzel war angefressen und wies an einigen Stellen sogar Pilzbefall auf.
»Es besteht kein Zweifel.« David war zu ihr getreten und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Wir haben an verschiedenen Stellen Proben genommen â der ganze Hang ist befallen.« Er zögerte, sagte dann bedrückt: »Und ich fürchte, nicht nur dieser.«
Seine Prognose bewahrheitete sich in den nächsten Tagen. Fast ein Drittel der Reben wies Schäden auf. Ununterbrochen waren die Männer im Einsatz, um die Rebstöcke auszugraben und zu Bergen aufzuschichten, die dann verbrannt werden mussten. An vielen Stellen im Rebland brannte es, die meisten Winzer am Kap waren von der Plage heimgesucht worden. Mit rasanter Geschwindigkeit breitete sich die Reblaus aus, befiel Hang um Hang. Es gab kaum ein Weingut, das verschont wurde.
Karoline ritt tagelang über ihr Land, mit Tränen in den Augen sah sie zu, wie die Männer immer neue Feuer legten.
»Hoffentlich gelingt es ihnen, die Epidemie zu stoppen«,
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