Das Paradies liegt in Afrika
einer beinahe zärtlichen Geste übers verbundene Gesicht strich, ehe sie mit gesenktem Kopf den Raum verlieÃ.
Karoline schluckte schwer. Sie wusste inzwischen, dass es bei der Schlacht in den Drakesbergen über 400 Tote gegeben hatte, mehr als 300 Soldaten waren verletzt worden. Sie dankte ihrem Herrgott, dass er ihr Victor nicht genommen hatte. Wenn er auch verwundet worden war â er war ihr geblieben!
Mit tränenumflortem Blick sah sie ihren Sohn an. Wie elend er aussah! Die Wangen waren eingefallen, die Lippen rissig. Sacht blähten sich seine Nasenflügel beim Atmen. Immer wieder seufzte er auf, unruhig warf er den Kopf hin und her.
Sie wollte seine Hand nehmen, die wie leblos auf dem weiÃen Leinenlaken lag, als sie mitten in der Bewegung innehielt. Bisher hatte sie nur Victors Gesicht gesehen, hatte jeden Blick auf seinen Körper vermieden. Jetzt sah sie zu seinen Beinen hin ⦠nein, nur rechts war eine Erhebung zu sehen. Auf der linken Bettseite war â nichts.
Weh schluchzte Karoline auf, als sie behutsam nach Victors Hand griff. Alles, was in den letzten Jahren trennend zwischen ihnen gestanden hatte, war vergessen. Hier lag ihr schwerverwundetes Kind, das sie brauchte. Jetzt mehr denn je. Nichts anderes zählte.
Die Zeit kroch dahin; die Zeiger der groÃen runden Uhr, die an der Kopfseite des Krankensaales angebracht war, schienen sich nicht vorwärtsbewegen zu wollen. Schwestern kamen und gingen. Sie sahen nach den Verwundeten, verabreichten Medizin, trösteten, so gut sie es vermochten, und wussten doch in so vielen Fällen, dass es keine Hoffnung mehr gab.
Stunde um Stunde saà Karoline Ruhland neben ihrem Sohn, sah immerzu in sein Gesicht â und suchte in den blassen Zügen vergeblich nach dem kleinen Jungen, der einst so übermütig durch die Weinberge von Hopeland getollt war.
»Mutter â¦Â« Aus fiebrig glänzenden Augen sah Victor sie an. »Es ⦠es ist vorbei, nicht wahr?«
Sacht nahm Karoline sein viel zu schmales Gesicht in ihre Hände, streichelte zärtlich über die blassen Wangen. »Nein«, widersprach sie und straffte sich. »Es fängt gerade erst an, dein neues Leben.«
4
D as erste Morgenlicht legte einen zarten roten Schleier über die Weinberge, die sich bis in den Himmel zu erstrecken schienen. Jeder Hügel rund um das Gut war mit Weinstöcken bepflanzt, an denen die ersten Trauben des Jahres heranwuchsen.
Die frechen Kapsperlinge zankten sich mit einem Schwarm von Glanzstaren um die Früchte. In der Ferne stritten ein paar Affen, sie hatten den Kapgeier erspäht, der in einem alten knorrigen Baum saà und auf Beute wartete. Im Blumengarten von Gut Hopeland hatten sich Sugarbirds eingefunden, die auf den groÃen Königsproteen saÃen und genüsslich den Nektar schlürften. Vor Jahren hatte Karoline Ruhland einige der Blumen, die mit ihren schön gefärbten Blumenköpfen zum Artenreichtum des fynbos zählten, im Garten angepflanzt. Sogar dann, wenn die brennende Sonne die letzten Rosen welken lieÃ, konnte man eine Königsprotea schneiden und als Blumenschmuck auf den Tisch stellen.
Im Gutshof wurde es unruhig, die ersten Männer erschienen zur Arbeit.
»Guten Morgen, mein Liebling.« David Bernhard beugte sich über Karoline und küsste sie sanft. Ihr Haar, durch das sich die ersten grauen Fäden zogen, duftete wie immer nach Limetten. »Ich muss los, es ist schon viel zu spät geworden.«
»Bleib doch noch«, bat Karoline und schmiegte sich in seinen Arm. »Es ist so albern, dass du dich nach all den Jahren noch immer aus meinem Schlafzimmer stiehlst.«
»Aber du weiÃt doch, warum ich es tue.« David Bernhard, der auch mit über fünfzig Jahren noch ein sehr attraktiver Mann war, schlug die Bettdecke zurück. Die Bitterkeit in seinen Worten war nicht zu überhören. Dennoch lächelte er Karoline zärtlich zu, als er sie zum Abschied küsste. »Wir sehen uns ja noch, bevor du abfährst.«
»Komm doch mit, David. Ich bitte dich sehr.« Auch Karoline stand auf. Sie trug ein dünnes, zartgelbes Nachthemd, dessen oberste Knöpfe offen waren. David sah die zarte Rundung ihrer Brust, sah, wie sich unter seinem Blick die Brustwarzen hart aufrichteten. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Noch immer war er leidenschaftlich in Karoline Ruhland verliebt, die Sehnsucht nach ihr hatte nicht
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