Das Paradies liegt in Afrika
Beine vom Stuhl, so dass dem Mann ein Blick auf ihre zarten Fesseln gewährt wurde. Sie trug ein leichtes Kostüm aus hellgrünem Wollstoff. Der Rock war schmal geschnitten, so dass sie den Seewind nicht fürchten musste. Ãber die kurze Jacke hatte Hannah ein karmesinrotes Wolltuch gelegt, das Haar trug sie zu einem lockeren Knoten aufgesteckt. Der Seewind spielte mit den kurzen Löckchen an der Stirn und über den Ohren. Jung und unbekümmert wirkte sie auf Frederic Horseley, der keinen Hehl aus seiner Bewunderung für die schöne Frau machte.
»Sie reisen allein, habe ich festgestellt.« Er hielt ihr galant die Tür zu dem kleinen Tearoom auf, an den sich ein Lesesaal anschloss, in dem zu dieser Zeit nur ein alter Schotte saà und interessiert in einem ledergebundenen Folianten blätterte.
Hannah nickte und warf mit einer leicht trotzigen Bewegung den Kopf in den Nacken. »Warum es verheimlichen? Ich habe mich von meinem Mann getrennt. Die Scheidung ist bereits eingereicht.«
»Oh ⦠Verzeihung, ich wollte nicht indiskret sein.«
»Schon gut. Es ist wahrlich kein Geheimnis und in den Londoner Salons gewiss ein Gesprächsthema, dass mein Mann eine Geliebte hat â und mit ihr einen Sohn. Und auch die Tatsache, dass ich London für immer verlassen habe, wird sich nicht lange verheimlichen lassen.« Sie lieà sich in einem der mit dunkelrotem Samt bezogenen Fauteuils nieder und sah resigniert zu Boden. »Einen Erben hat sie ihm geschenkt. Das konnte ich leider nicht.« Sie biss sich kurz auf die Lippen und atmete schwer. »Und mit einer blutjungen Tänzerin kann ich auch nicht konkurrieren«, schloss sie bitter.
Frederic hatte sich ihr gegenüber niedergelassen und griff nach ihren Händen, die Hannah ineinander verschlungen hatte. Diese nervöse Bewegung war das einzige Zeichen dafür, dass sie innerlich sehr aufgewühlt war.
»Ich ⦠ich möchte Sie gern auf andere Gedanken bringen. Wenn Sie lächeln, sind Sie bezaubernd. Und ich bin sicher, dass Sie viel interessanter für einen klugen Mann sind als eine junge Tänzerin, die vom Leben noch nichts kennt.«
»Sie sind ein Schmeichler!«
»Mitnichten.«
»Dann sind Sie eitel. Denn wenn ich Sie recht verstanden habe, so halten Sie sich für einen klugen Mann.«
Sein charmantes Lächeln lieà ihr Herz ein paar Takte schneller schlagen. »Wenn Sie es so sehen â ich widerspreche nicht.«
Wie ein riesiger goldfarbener Ball ging die Sonne im Osten auf. Kein Windhauch war zu spüren, der Mensch und Tier ein wenig Erleichterung hätte bringen können. Aber niemand im Weinland klagte, denn dieses letzte Sonnengold während der Lese versprach einen ganz ausgezeichneten Wein. Die Erträge waren in diesem Jahr besonders reichhaltig, und alle Winzer dankten dem Schöpfer für diese Gnade.
Im frühen Morgenlicht war der Tafelberg zu sehen, wie so oft war ein breites Wolkenband um den Gipfel gezogen.
Sophie Ruhland, die auf der Terrasse ihres Schlafraums stand, runzelte die Stirn. Heute war das Wolkenband gröÃer als gewöhnlich. Hoffentlich kam nicht der von allen Menschen am Kap gefürchtete Southeaster auf. Dann schoben sich vom Atlantik her die Wolkenmassen das riesige Bergmassiv hinauf, brachten Regen und starken Sturm mit. Schlechtes Wetter wäre jedoch jetzt, zur Weinlese, eine Katastrophe! Sie brauchten unbedingt eine gute Ernte in diesem Jahr! So kurz nach Karls Tod mussten sie ertragreich produzieren, um die Existenz des Gutes zu sichern. Bei den Geschäftspartnern war bereits leichte Unruhe entstanden, denn Karls Name war der Garant für auÃergewöhnliche Qualität gewesen. Den guten Ruf von Hopeland galt es zu erhalten. Unter allen Umständen!
Wie immer, wenn sie an ihren verstorbenen Mann dachte, stiegen Tränen in Sophies Augen. Warum nur hatte das Schicksal ihr Karl so früh genommen? Sie vermisste ihn so sehr, dass es ihr oft die Brust einengte. In den Nächten lag sie häufig wach, dachte an die vergangenen Jahre, die viel Arbeit in sich getragen hatten, in denen aber ihre Liebe zueinander alle Mühsal überdeckt hatte. Sie dachte an die erste Begegnung mit Karl, an das erste Beisammensein voller Zärtlichkeit. Sie dachte an ihren verstorbenen Schwager Sebastian, der sie mit seinem Charme oft zum Lachen gebracht hatte; der sie zudem unverhohlen umwarb, es aber nicht geschafft
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