Das Paradies liegt in Afrika
Knie, barg das Gesicht in den Händen. Doch sie hatte bereits keine Tränen mehr, ihr Zorn auf den Mann, der ihr das Schlimmste angetan hatte, war mächtiger als jedes andere Gefühl.
Sie hob den Kopf und rief ihm zu: »Das büÃt du mir, Mistkerl! Ich werde dich vor Gericht bringen!«
»Dummes Weib, du! Das bringt gar nichts.« Sein Lachen brach jäh ab, denn der groÃe Schwarze, der ihn an der linken Seite festhielt, drückte ihm die Kehle zu. Fragend sah er zu seiner Herrin hin.
»Lass ihn.« Karoline schüttelte den Kopf. »Seinetwegen wollen wir nicht zu Mördern werden. Ein Gericht wird ihn verurteilen.«
Teil 2
1
B lauschwarze Schatten umfingen Hopeland , aus den umliegenden Weinbergen drangen die ersten Rufe der nachtaktiven Tiere zu der einsamen Frau, die langsamen Schrittes vom weià umzäunten Friedhof hinüber zu der kleinen Rosenlaube ging. Der wohlvertraute, betörende Duft der kleinen gelben und roséfarbenen Rosen, die sich an den alten Holzgittern emporrankten, beruhigte Karoline ein wenig. In den zarten Rosenduft mischte sich der intensivere Geruch des Jasmins, der in groÃen Büschen seine verschwenderische Blütenfülle bis fast zur Erde ergoss.
»Es ist spät, Missis Karoline, wollt Ihr nicht lieber ins Haus gehen? Es ist gefährlich in der Dunkelheit.« Kimani, der alte Schwarze, der seit Jahrzehnten auf dem Gut lebte, hinkte auf dem breiten Gehweg vorüber. Er hatte drunten im alten Kral nach den Tieren gesehen, die über Nacht dort zusammengetrieben wurden. Kimani trug über der Leinenhose nur einen blauen weiten Kittel, den er um den Bauch mit einem Lederriemen zusammengebunden hatte. Das weiÃe krause Haar schimmerte im fahlen Licht, die hellen Augäpfel waren deutlich zu sehen, als er zu Karoline blickte.
»Mach dir keine Sorgen, ich bleibe nur noch ein paar Minuten. Gute Nacht, Kimani.«
»Gute Nacht, Missis Karoline.«
Der Abendstern leuchtete am Himmel auf, ein paar Kapsperlinge zankten sich in den nahen Beerensträuchern um die besten Ruheplätze. Aus der Ferne drangen die Rufe von zwei Waldkäuzen zu ihr herüber. Karoline zuckte zusammen. Erst seit einigen Wochen hatte sich das Vogelpaar im nahen Eichenwald niedergelassen und dort eine Nisthöhle gebaut. Die alte Josy und ihre schwarzen Freundinnen erzählten sich hinter vorgehaltener Hand, dass der laute Ruf eines Käuzchens den nahen Tod eines Menschen ankündige.
»Unsinn ist das. Ich werde mich doch nicht von diesem Aberglauben irritieren lassen!« Karoline lehnte den Kopf an die Holzstreben und schloss die Augen. Neben ihr lag ein Gedichtband von Heinrich Heine. Vor Jahren hatte sie das kleine Buch in einem Geschäft in Hermanus erstanden. Der alte Besitzer, einst aus Hamburg in die Kapregion ausgewandert, konnte erzählen, dass er den Dichter sogar persönlich gekannt habe. Eins der Rosengedichte aus dem Buch liebte Karoline besonders. Seit Christophers Tod lag die Seite aufgeschlagen in der Laube. Karoline musste nicht auf das Gedruckte sehen, sie konnte die Zeilen auswendig:
»Mit Rosen, Zypressen und Flittergold
möchte ich zieren, lieblich und hold,
dieses Buch wie einen Totenschrein,
Und sargen meine Lieder hinein.
O könnt ich die Liebe sargen hinzu!
Auf dem Grabe der Liebe wächst Blümlein
der Ruh!«
Tränen verschleierten Karolines Blick, und wieder einmal dachte sie an ihren Mann. Sie hatte Christopher sehr geliebt, war mit ihm lange Zeit glücklich gewesen. Die letzten Monate, in denen er ihr so fremd geworden war in seiner Trauer und Wut über Klein Emilys Tod, waren fast vergessen. So, wie sie auch versuchte, die brutale Vergewaltigung durch den Summerset -Verwalter aus ihrer Erinnerung zu löschen. Jan de Fronteyn war angeklagt und zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Summerset wurde seit fast einem Jahr bereits gemeinsam mit Hopeland bewirtschaftet. Es war viel Arbeit, die auf Karoline lastete, und oft hatte sie das Gefühl, alldem nicht gewachsen zu sein. Doch wie hätte sie Hannah und Frederic die Bitte, sich um Summerset zu kümmern, abschlagen können? Die beiden waren seit dem Winter letzten Jahres verheiratet. Es war nur eine kleine, intime Hochzeitsfeier gewesen, die man im Stadthaus in Kapstadt abgehalten hatte. Etwa fünfzig Verwandte und Freunde waren geladen worden und hatten dem Paar Glück für die gemeinsame Zukunft
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