Das Paradies
Fanatikern und beteiligte sich an ihren gefährlichen Aktionen? Was hatte er, ein unbedeutender Regierungsangestellter, mit ihnen zu tun? Er war verwirrt. Die vergangenen Wochen waren wie in einem Nebel vergangen. Es hatte damit angefangen, daß er feststellte, daß seine Mutter in Ägypten war. Jeden Morgen hatte er die Hoffnung, sie werde an diesem Tag kommen, um ihn zu besuchen. Jeder Abend machte seine Hoffnungen zunichte. Mohammeds Qual und innere Zerrissenheit wurden immer unerträglicher. In seiner Verzweiflung ging er eines Abends in Husseins Wohnung. Er hörte zu, wie junge Männer leidenschaftlich von Gott und von der Revolution sprachen. Mohammed mochte Hussein und seine Freunde nicht, aber sie waren in ihrer Radikalität ein Gegengewicht zu seiner Ohnmacht und seinen aufgestauten Gefühlen.
Sie sagten, man müsse sittenlose und unmoralische Frauen aus Ägypten vertreiben, und Mohammed stimmte ihnen zu. Als sie riefen: »Wir werden den Club in die Luft sprengen«, dachte er: »Gut, dann ist alles vorbei! Das ist meine Rache«, obwohl er in seiner Verwirrung nicht wußte, welche der beiden Frauen er bestrafen wollte.
Nun saß er in einiger Entfernung vom Club in einem Wagen und sah zu, wie Hussein die Batterien der Bombe verdrahtete. Er hatte entsetzliche Angst und wäre am liebsten davongelaufen.
»Du hast unser Vertrauen, mein Bruder!« sagte Hussein und drückte Mohammed das Kästchen in die Hand. »Du kannst jetzt deine Loyalität gegenüber der Sache und Gott beweisen. Hier ist der Schlüssel zum Hintereingang des Clubs. Falls dir jemand begegnet, ein Pförtner oder ein Wachmann, gibst du ihm einen Bakschisch. Du sagst, du bringst ein Geschenk für Mimi und hast Anweisung, es persönlich in ihrer Garderobe abzuliefern. Die Bombe legst du an die Stelle neben der Bühne, die ich dir auf dem Plan gezeigt habe. Gott sei mit dir!«
Auf der anderen Seite trat gerade Jasmina durch den Haupteingang auf die Straße und gab dem Besitzer des Clubs zum Abschied die Hand. Die Vorbereitungen für Dahibas Überraschungsparty am Abend liefen wie geplant. Die ganze Familie würde kommen, außerdem Dahibas Freunde, die Musiker ihres alten Orchesters und natürlich die Prominenz der Filmstudios und des Fernsehens. Ein Vertreter des Ministeriums für Kunst und Kultur würde Dahiba eine Auszeichnung überreichen. Man wollte Dahiba überreden zu tanzen – ihr erster öffentlicher Auftritt seit vierzehn Jahren, und anschließend fand ihr zu Ehren ein Bankett statt.
Als Jasmina sich noch einmal bei dem Besitzer bedankte und zu ihrer wartenden Limousine ging, ahnte sie nicht, daß sich ihr Neffe gerade mit einer Bombe unter dem Arm durch den Hintereingang in den Club geschlichen hatte.
Dahiba beobachtete, wie sich die Dächer, die Kuppeln und Minarette von Kairo in der späten Nachmittagssonne golden färbten. Sie fand die Welt wundervoll, denn sie hatte das Gefühl, zum zweiten Mal geboren worden zu sein. Die Ergebnisse der neuesten Laboruntersuchungen waren negativ. Die Behandlung war erfolgreich gewesen. Der Krebs befand sich auf dem Rückzug.
Hakim kam mit einem großen Paket unter dem Arm in die Wohnung, und er wirkte verdächtig selbstzufrieden. »Was ist das?« fragte Dahiba, als er ihr mit einem breiten Lächeln das Paket gab.
»Ein Geschenk für dich, Liebling. Mach es auf und sieh selbst.«
Dahiba löste vorsichtig das Band, hob den Deckel der Schachtel, und als sie das Seidenpapier zurückschob, entfuhr ihr ein lautes: »Oh!«
»Was sagst du dazu?« fragte Hakim und strahlte.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll!« Behutsam nahm Dahiba das Kleid aus dem Karton und hielt es hoch. Silberne und goldene Fäden waren in den zarten schwarzen Stoff eingewebt und schimmerten im Sonnenlicht. »Es ist wunderschön, Hakim.«
»Und es ist echt. Ich habe auch einiges dafür ausgegeben.«
Es war ein
Assiut
-Kleid, eine Volkstracht aus einem wunderschönen seltenen Stoff, den man kaum noch irgendwo fand.
»Es ist über hundert Jahre alt«, sagte Hakim. Er griff nach dem Saum und strich mit den Fingern über den schweren Stoff. »Du hast ein ähnliches Kleid 1944 bei deinem ersten Auftrit im Cage d’Or getragen, erinnerst du dich?«
»Aber das war eine Kopie, Hakim. Dieses hier ist echt!«
»Laß uns ausgehen und feiern. Zieh dein Kleid an, und ganz Kairo wird dich bewundern.«
Sie umarmte ihn und gab ihm einen Kuß. »Was wollen wir denn feiern?«
»Daß Gott dich vom Krebs geheilt hat. Ist das kein Grund
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