Das Paradies
zum Feiern?«
»Wohin wollen wir gehen?«
Seine kleinen Augen blitzten. »Das soll eine Überraschung sein.«
Khadija blickte über das azurblaue Meer neben der Küstenstraße, auf der sie fuhren, und dachte an ihre Familie in Kairo. Alle würden sich auf Dahibas Überraschungsparty vorbereiten. Sie bedauerte, daß sie und Zeinab nicht dabei sein konnten. Sie hatte Jasmina versprochen, rechtzeitig zu Hause zu sein, aber die Rückreise hatte sich verzögert, weil sie kurz vor Medina starke Schmerzen in der Brust bekam. Der Arzt hatte ihr geraten, sofort nach Kairo zurückzufliegen, aber Khadija war entschlossen, die Karawanenroute ihrer Kindheit zu finden. Sie würde nicht noch einmal Gelegenheit dazu haben.
Khadija war in Hochstimmung, als sie auf das glitzernde kobaltblaue Wasser des Golfs von Akaba blickte. Nach dem Besuch in Mekka, dem heiligsten aller Orte, fühlte sie sich gereinigt und Gott näher. Sie und Zeinab hatten an der Ka’aba gebetet, an dem großen schwarzen Steinwürfel, wo der Prophet Abraham bereit gewesen war, sich Gottes Willen zu fügen und seinen Sohn Isaak zu opfern.
Sie hatten Hagars Brunnen aufgesucht und von seinem heiligen Wasser getrunken; sie hatten Steine auf die Steinsäulen geworfen, die den Teufel symbolisieren, um die Teufel in sich zu vertreiben. Dann waren sie mit dem Fährschiff entlang der Küste nach Akaba gefahren und hatten dort für die Durchquerung der Halbinsel Sinai einen Wagen mit Chauffeur gemietet.
Nun folgten sie der alten Route, von der man sagte, die Hebräer hätten sie beim Auszug aus Ägypten genommen. Man hatte den Weg nie genau bestimmen können und hielt auch einen anderen Verlauf für möglich. Khadija wurde unruhig. Ihre Mutter hatte vor langer Zeit gesagt: »Wir folgen dem Weg, den der Prophet Moses durch die Wüste genommen hat.« Aber Khadija wußte nicht, ob sie sich für den richtigen Weg entschieden hatte. Vielleicht hätten sie auf der nördlichen Route fahren sollen, wie man ihr geraten hatte.
Der Fahrer, ein Jordanier mit einem rotweiß-karierten
khaffijeh
auf dem Kopf, schien Gedanken lesen zu können, denn er drehte sich um und sagte: »Das ist der Weg, den die neunte Brigade genommen hat, Sajjida.«
Der große staubige Buick fuhr mit hoher Geschwindigkeit über die ausgebaute Straße, auf deren rechter Seite steile nackte Granitfelsen aufragten. Auf der linken Seite standen Palmen, und hinter goldenen Stränden erstreckte sich der tiefblaue Golf mit der schemenhaft aufragenden lavendelblauen Küste der Arabischen Halbinsel.
»Ist das auch wirklich der Weg, den der Prophet Moses genommen hat, als er die Juden aus Ägypten führte?«
»Es ist eine beliebte Strecke, Sajjida«, erwiderte der Fahrer. »Die Mönche im Katharinenkloster können Ihnen alles darüber sagen. Wir werden dort übernachten, wenn Gott will.«
Schließlich bog der Wagen von der Küstenstraße ab und fuhr auf einer unbefestigten Straße durch ein steiniges Gelände. Hier wuchsen niedrige Büsche, und braune Wüstenlerchen und Drosseln flogen durch die Luft. Hin und wieder sahen sie sogar Wüstenhasen. Die Straße hatte tiefe Schlaglöcher. Der Jordanier fuhr langsam und vorsichtig, um seine Fahrgäste nicht zu sehr durchzurütteln. Sie kamen an Beduinen vorüber, die vor ihren großen schwarzen Zelten standen und die Hände zum Gruß hoben. Auf dem Weg durch die karge Landschaft, in der sich nur hin und wieder zwischen der spärlichen Vegetation eine Gruppe Palmen im steinigen Boden behauptete, sah sich Khadija gespannt um. Sollte ihr das alles bekannt vorkommen?
Es dauerte lange, bis das Kloster vor ihnen auftauchte. »Gebel Musa«, sagte der Fahrer und wies auf einen hohen, zerklüfteten Gipfel. »Der Mosesberg.« Beim Anblick der schroffen braunen, grauen und roten Granitberge schlug Khadija das Herz bis zum Hals. Sollte ich mich an diese kahlen Berge erinnern? Wurde unsere Karawane irgendwo in dieser Gegend überfallen? Hat man mich hier aus den Armen meiner Mutter gerissen? Liegt sie vielleicht hier begraben, und ich werde endlich ihr Grab finden? Bis jetzt hatte Khadija bereits das azurblaue Meer ihrer Träume gesehen und die Glöckchen der Kamelkarawanen gehört. Ein überwältigendes Gefühl der Vertrautheit mit diesem fremden Land hatte sie erfaßt. Welche neuen Erinnerungen würde dieser Ort ihr bringen?
Auf dem letzten Teil der Strecke zum Katharinenkloster am Fuß des Berges Sinai kamen ihnen Touristenbusse, ganze Konvois von Minibussen und junge
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