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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Ibrahim? Warum war er ein unschuldiges Opfer dieser Revolution geworden? Und warum gelang es ihr nicht, ihn ausfindig zu machen?
    Sorgen und Schlaflosigkeit hatten bei Khadija deutliche Spuren hinterlassen. Sie hatte Gewicht verloren, und auf ihrer Stirn sah man neue Falten. Sie hatte einen Teil ihres Schmucks verkaufen müssen und auch ihre persönlichen Ersparnisse nicht geschont, um die hohen Bestechungsgelder zu zahlen, die von den kleinen Beamten verlangt wurden. Außerdem betete sie öfter als je zuvor, und sie wendete den besonderen Zauber an, den Alis Mutter ihr vor langer Zeit beigebracht hatte, um das Unheil, das Ägypten heimsuchte, von dem Haus in der Paradies-Straße fernzuhalten.
    Khadija hatte sogar die Quetta, die Astrologin, rufen lassen, um in Ibrahims Zukunft zu blicken. Aber die alte Frau hatte nur den Kopf geschüttelt und gesagt: »Sajjida, sein Geburtsstern ist Aldebaran, der Stern von Mut und Ehre. Aber ich kann dir nicht sagen, ob dein Sohn mit Mut leben wird oder in Ehren stirbt.«
    Andere Besucher kamen mit Nachrichten, Gerüchten und Ideen, aber dann erschien der Neffe von Alis älterem Bruder und rief außer Atem: »Ibrahim lebt! Er wird in der Zitadelle gefangengehalten!«
    »Al hamdu lillah«,
sagte Khadija. Gelobt sei der Herr.
    Alle drängten sich um Mohssein Raschid. Er studierte an der Universität, hatte sein Studium jedoch unterbrochen, um bei der Suche nach seinem Cousin zu helfen. Alle redeten auf einmal, aber Khadija verschaffte sich schließlich Gehör. »Mohssein, warum hält man ihn gefangen? Was war der Grund für seine Verhaftung?«
    »Sie sagen, sie haben Beweise für Hochverrat, Tante!«
    »Hochverrat!« Sie schloß die Augen. Darauf stand die Todesstrafe.
    »Sie sagen, es gibt Zeugen, die ihre Aussage unter Eid beschwören.«
    »Das sind alles Lügner!« riefen die anderen. »Man hat sie bestochen!«
    Khadija hob die Hand und sagte ruhig: »Gelobt sei der Ewige, daß wir Ibrahim gefunden haben. Mohssein, geh zur Zitadelle und bring alles in Erfahrung, was du erfahren kannst. Salah, begleite ihn. Tewfik, geh sofort zu Hassan al-Sabirs Kanzlei am Ezbekija-Platz. Er muß diese Neuigkeit unbedingt erfahren.«
    Als Nefissa eine Nachricht in den Salon brachte, die gerade jemand abgegeben hatte, der einen Mann kannte, der jemanden kannte, der für eine bestimmte Summe den Kontakt zu Ibrahim aufnehmen konnte, erschien Suleiman Misrachi. Er sah alt aus; seine Haare waren schütter, und die Augen lagen tief in den Höhlen. Die Revolutionäre hatten sein florierendes Importgeschäft bisher nicht angetastet, aber ihn bedrückte die Verstaatlichung der großen Firmen und Baumwollplantagen. Er hatte auch gehört, daß die neue ägyptische Revolutionsregierung eine nationale Industrie zur Produktion von Automobilen und landwirtschaftlichen Geräten aufbauen werde. Diese Produkte wurden bislang importiert. Suleiman beschränkte sich auf den Import von Luxusartikeln wie Schokolade, Pralinen und Spitze. Aber würden diese Dinge ebenfalls bald unter staatlicher Kontrolle im Land produziert werden?
    »Danke, daß du gekommen bist, Suleiman«, sagte Khadija, als sie mit ihm in dem kleinen Zimmer hinter dem Salon saß, in das sie sich zurückzog, wenn sie sich ungestört mit Gästen unterhalten wollte.
    Khadija hatte ein herzliches und freundschaftliches Verhältnis zu Suleiman, denn er war ein guter und sensibler Mann. Sie erinnerte sich daran, wie verzweifelt Marijam vor vielen Jahren gewesen war, nachdem sie erfahren hatte, daß nicht sie an der Kinderlosigkeit schuld war, sondern er. Es war Marijam damals unmöglich gewesen, mit ihrem Mann über die Wahrheit zu sprechen. Khadija fragte sich oft, ob Suleiman wirklich zornig sein würde, wenn er erfuhr, daß nicht er, sondern sein Bruder Mussa seine Kinder gezeugt hatte.
    »Es sieht nicht gut aus, Khadija«, sagte Suleiman und fuhr sich mit der Hand durch die schütteren Haare, »ich war bei einigen dieser Prozesse.
Prozesse
! Zirkusveranstaltungen sind das! Jeder beschuldigt jeden. Wenn man behauptet, ein anderer habe ein größeres Verbrechen begangen als man selbst, dann lassen sie einen laufen. Die Revolution ist nur noch eine Farce, und ich schäme mich, ein Ägypter zu sein.«
    Suleiman schüttelte verzweifelt den Kopf. Es war eine verrückte Zeit. Farouk hatte zu seiner Zeit den amerikanischen Film
Quo Vadis
verboten, weil Nero ihm zu ähnlich war. Jetzt zeigte man ihn in den Kinos, und er war in Kairo der größte Erfolg aller

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