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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Zeiten. Tausende standen Schlange, um den Film zu sehen. Jedesmal, wenn Peter Ustinov als Kaiser Nero auf der Leinwand erschien, riefen die Zuschauer: »Nach Capri! Nach Capri!«, denn dort lebte Farouk im Exil.
    Er griff in die Brusttasche und holte ein Blatt Papier heraus. »Das hat viel Zeit und noch mehr Bakschisch gekostet. Aber es ist mir schließlich doch gelungen, dir zu beschaffen, worum du mich gebeten hast, Khadija. Hier steht die Adresse von einem der Männer des Revolutionsrats.«
    Da sich nach Ibrahims Verhaftung im vergangenen August alle normalen juristischen und bürokratischen Kanäle als wirkungslos erwiesen, hatte Khadija um eine Liste mit den Namen der Mitglieder des Revolutionsrates gebeten. Sie nannten sich die Freien Offiziere. Man berichtete Khadija, sie seien alle unter vierzig, also noch sehr jung. Suleiman hatte ihr die Namen vorgelesen, und sie hatte ihn gebeten, ihr die Adresse eines der Männer zu beschaffen.
    »Es war nicht leicht, seine Adresse zu bekommen«, erklärte er und reichte ihr das Blatt Papier, »die Offiziere wissen, daß sie jetzt die Zielscheibe für Konterrevolutionäre sind. Aber ich bin zum Schluß zu einem Freund gegangen, der mir einen Gefallen schuldet, und er ist mit dem Bruder dieses Mannes befreundet. Aber was hast du mit der Information vor? Was ist das für ein Mann, Khadija? Glaubst du, er kann dir helfen?«
    »Vielleicht ist er Gottes Zeichen, daß noch Hoffnung besteht.«
     
    »Khadija«, sagte Marijam, »du
mußt
dich von mir begleiten lassen. Du hast dieses Haus sechsunddreißig Jahre nicht verlassen. Du wirst dich verirren!«
    »Ich werde mein Ziel finden«, erwiderte Khadija ruhig, legte die schwarze Melaja über den Kopf und drapierte sie um den Körper. »Gott wird meine Schritte leiten.«
    »Aber warum läßt du dich nicht fahren?«
    »Weil ich auf dieser Mission allein sein muß. Ich darf die Sicherheit der anderen Person nicht aufs Spiel setzen.«
    »Wohin gehst du? Kannst du mir wenigstens das sagen? Ist dein Ziel die Adresse, die Suleiman dir gegeben hat?«
    Khadija hatte sich inzwischen in die seidene Melaja gehüllt, und man sah nur noch ihre Augen. »Es ist besser, wenn du es nicht weißt.«
    »Weißt du wenigstens, wie du dorthin kommst, wohin du willst?«
    »Suleiman hat es mir erklärt.«
    »Ich habe Angst, Khadija«, sagte Marijam leise, »wir leben in einer Zeit, die mir angst macht. Meine Freunde fragen, wann Suleiman und ich nach Israel gehen. Wir hätten nie an so etwas gedacht!« Sie schüttelte traurig den Kopf. Als drei Jahre früher bekannt geworden war, daß 45 000  Juden den Jemen verlassen hatten und nach Israel einwanderten – der Exodus erhielt den Namen »Operation Fliegender Teppich« –, hatten Marijams Freunde gefragt, weshalb
sie
nicht ebenfalls auswanderten. Aber weshalb sollten sie das? Ägypten war ihre Heimat, und ihr Name Al Misrachi bedeutete »Ägypter«. Inzwischen verließen andere Juden Kairo, und die Zahl der Gläubigen in der Synagoge nahm ab.
    »Marijam«, sagte Khadija, »du brauchst keine Angst um mich zu haben. Meine Kraft beruht auf Gott.«
    Bevor sie sich auf den Weg machte, blieb Khadija einen Augenblick vor Alis Bild neben ihrem Bett stehen. »Ich gehe jetzt in die Stadt«, sagte sie. »Wenn es eine Möglichkeit gibt, unseren Sohn zu retten, dann ist es diese. Gott hat mich erleuchtet. Er wird meine Schritte lenken. Aber ich fürchte mich. Dieses Haus ist mein Zufluchtsort. Hier bin ich sicher.«
    Khadija erreichte schließlich das Gartentor. Die Wintersonne wärmte ihr die Schultern. Vor vielen Jahren hatte man sie durch dieses Tor gebracht, und seitdem hatte sich vieles ereignet, was inzwischen nur noch Erinnerung war. Hinter den Orangenbäumen arbeitete Alice bei ihren Blumenbeeten. Sie versuchte, englische Nelken in ägyptischer Erde zum Blühen zu bringen. Die Kinder spielten in ihrer Nähe, aber sie wirkten gedrückt. Wegen Ibrahims Verhaftung war der Geburtstag des Propheten für die Kinder ein trauriges Fest gewesen. Und es sah ganz so aus, als würde auch der Geburtstag des Propheten Jesus, den Alice in zwei Wochen beging, nicht sehr fröhlich gefeiert werden.
    Sie vergewisserte sich noch einmal, daß die schwarze Melaja sie völlig einhüllte, auch die Hände und die Fußknöchel. Dann holte sie tief Luft, öffnete das Tor und trat auf die Straße hinaus.
     
    Bitte, Gott, flehte Alice stumm, während sie die harte Erde mit der Hacke lockerte, gib mir Ibrahim zurück, und ich werde ihm

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