Das Paradies
eine gute Frau sein. Ich werde ihn lieben, ihm dienen und ihm viele Kinder schenken. Ich werde vergessen, daß er mich mit Zacharias’ Mutter getäuscht hat. Bitte, laß ihn nur gesund nach Hause zurückkehren.
Nicht einmal Edward konnte ihr jetzt noch Trost schenken. Je länger ihr Bruder in Ägypten blieb, desto unleidlicher wurde er. Edward wirkte sehr still. Er schien ständig mit sich beschäftigt zu sein, als sei er von etwas besessen. Alice hatte zuerst gedacht, er sei verliebt und verzehre sich nach Nefissa. Aber inzwischen konnte sie sich den Grund für seine Stimmung nicht mehr vorstellen. Er trug ständig seinen Revolver bei sich und erklärte, es sei zu ihrer Sicherheit, da die Engländer zur Zielscheibe für die Radikalen geworden waren. Aber war das wirklich der wahre Grund?
Sie hob den Kopf und sah Amira vor sich stehen. Ihre Augen waren so blau wie der Lavendel vor den Rosen. »Mama«, fragte sie, »wann kommt Papa nach Hause? Er fehlt mir.«
»Er fehlt mir auch, mein Schatz.« Alice nahm ihre Tochter in die Arme. Dann fiel ihr Blick auf Jasmina und Zacharias, die ebenso traurig und niedergeschlagen wirkten. Alice breitete die Arme aus, und die Kinder liefen zu ihr, um sich trösten zu lassen.
Sie wollte gerade mit ihnen in die Küche gehen, um sie mit Mango-Eis fröhlicher zu stimmen, als sie sah, daß Hassan al-Sabir in den Garten kam. Ibrahims Freund schienen die Revolution und die turbulenten Ereignisse am wenigsten von ihnen allen zu berühren. Es hatte den Anschein, als werde er eher noch reicher. Alice lief ihm entgegen. »Hast du eine Nachricht von Ibrahim?«
Er kniff die dunklen Augen zusammen und dachte daran, daß sie ihn in den vergangenen vier Monaten jedesmal mit dieser Frage begrüßte. »Ich habe den alten Drachen auf der Straße gesehen. Wohin will sie?«
Alice zog die Gartenhandschuhe aus. »Drachen?«
Hassan ahnte, daß Khadija ihn nicht mochte, aber er wußte nicht weshalb. »Ibrahims Mutter. Ich wußte nicht, daß sie überhaupt jemals das Haus verläßt.«
»Ich auch nicht! Ach du meine Güte, wohin mag Mutter Khadija gehen? Kinder, lauft in die Küche. Ich möchte mit Onkel Hassan sprechen.«
Er blickte sich um. »Ich sehe weder Nefissa noch Edward.«
»Nefissa versucht herauszufinden, ob Prinzessin Faiza noch in Ägypten ist oder das Land mit der königlichen Familie verlassen hat. Wenn Faiza hier wäre, könnte sie uns helfen, Ibrahim zu finden. Und Edward …«, sie seufzte, »er ist vermutlich in seinem Zimmer.« Ihr Bruder trank in letzter Zeit immer mehr, und sie fürchtete, er werde bald nach England zurückkehren. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, Edward zu verlieren. »Du hast also keine Neuigkeiten?«
Er schob ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht. »Um ehrlich zu sein, ich glaube, du solltest dich auf das Schlimmste gefaßt machen. Meiner Meinung nach kommt Ibrahim nicht nach Hause zurück.«
»Das darfst du nicht sagen.«
Er zuckte die Schultern. »In solchen Zeiten ist alles möglich. Männer, die gestern noch Freunde waren, sind heute Feinde. Du weißt, wie sehr ich mich um seine Freilassung bemüht habe. Ich tue alles, um wenigstens herauszufinden, wann sein Prozeß sein wird. Aber selbst ich bin machtlos, und dabei gehöre ich mittlerweile zu den wenigen Leuten in dieser Stadt, die noch Beziehungen haben. Leider wird niemand, der dem König treu ist, ungeschoren davonkommen.«
Als sie zu weinen begann, legte er die Arme um sie und sagte: »Keine Tränen … ich wollte dir keine Angst machen.«
»Ich möchte, daß Ibrahim nach Hause zurückkommt!«
»Das wollen wir alle«, sagte er, strich ihr über die Haare und drückte sie fester an sich. »Aber mehr als wir getan haben, können wir nicht tun. Der Rest liegt in Gottes Hand.« Er hob ihr mit einem Finger das Kinn. »Du mußt sehr einsam sein«, sagte er. Als Hassan sie küssen wollte, wich sie zurück. »Laß das bitte …«
»Schöne Alice … du weißt, daß ich dich wollte, seit wir uns in Monte Carlo kennengelernt haben. Das Schicksal hatte dich und mich füreinander bestimmt. Aber aus irgendeinem Grund hast du Ibrahim geheiratet.«
»Ich liebe Ibrahim«, sagte sie und wich noch einen Schritt zurück.
Aber er hielt sie am Arm fest. »Ibrahim ist tot, liebste Alice. Du mußt dich damit abfinden. Du bist eine junge und schöne Witwe, die einen Mann braucht.«
Er zog sie an sich und drückte seinen Mund auf ihre Lippen.
»Laß mich!« Sie stieß ihn weg und stolperte
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